Ungemütlich

von Günther Jakobsen10:57 Uhr | 20.10.2004

Gemütliche Abende während einer Champions League-Halbzeit haben ihre Tücken, wenn die Akteure, der Reporter und die Vorfreunde nicht mitspielen. Die ersten 45 Minuten der Begegnung zwischen Juventus Turin und Bayern München gehörten dazu.

Es ist einer dieser durchschnittlichen Momente, in denen man es sich einfach nur vor der Glotze gemütlich macht, denn es ist die Zeit, in der ein Fußballspiel live übertragen wird und die Freude darauf ist – na ja, ich will mal sagen: Durchwachsen. Schließlich spielt der FC Bayern in der Champions League-Vorrunden-Gruppenphase. Zwar ist es ein Spitzenspiel, wenn man das von einer Begegnung sagen kann, in der beide Mannschaften mit einem Unentschieden zufrieden wären. Hinzu kommt, dass der Gegner Juventus Turin heißt und aus Meistern des Zu-Null-Haltens besteht. Von den Moderatoren wurde uns zuvor kolportiert, dass beide Clubs bislang noch nicht in einem internationalen Pflichtspiel auf einander trafen, was der Partie einen besonderen Reiz geben würde. Als Tabellenführer der Gruppe würden zudem die beiden Besten aufeinander treffen, was die Spannung erhöhen könne.
Was sich allerdings in der ersten Viertelstunde auf dem Platz tat, hatte wenig mit Champions League zu tun. Okay, die Spieler mit den klangvollen Namen waren bis auf wenige Ausnahmen alle auf dem Platz, was auch der aufdringlich clevere Reporter feststellte, dessen Namen ich aus denselben Gründen unerwähnt lasse, aus denen ich auch nicht über die Bandenwerbung berichten möchte. Interessanter wäre es gewesen, von wunderbaren Toren zu erzählen, doch zumindest in den mittlerweile fast 24 Minuten, die das Spiel nun vor sich hinplätscherte, fiel keines. Drei fette Chancen waren jedoch bisher im Angebot. Der Schwede Ibrahimovic köpfte eine Todsichere in den Flutlichthimmel; ein gewisser del Piero wuchtete etwas später die Plastikkugel in die selbe Region und der Holländer Makaay hätte fast einen Fehler des inzwischen als Nationalspieler abgedankten Weltmeisters Thuram aus Frankreich eingekickt. Der Rest des Geschehens fand in den Untiefen des Mittelfeldes statt und bot Langeweile pur. Selbst ein Nedved und ein Ballack blieben dabei unsichtbarer als ihnen vielleicht lieb war. Auch die Abwehrreihen waren nicht so doll, wie es den Anschein hatte, denn die Stürmer riskierten (der Reporter sprach von „Sicherheitsdenken“) oder konnten nichts, so dass auch die Hoffnung, hier und da eine aufregende Grätsche bestaunen zu können, ebenfalls nach und nach verkümmerte.
Plötzlich freute sich der Reporter über einen „Eckstoß für den Gast aus München“ als wäre endlich ein Highlight im Anzug. Dann betonte er etwas merkwürdig aufgedreht, dass die Gäste aus München „mindestens gleichwertig wären“ und fing unverzagt auch noch damit an, den zappeligen Salihamidzic über den grünen Klee zu loben. Ähnliches startete er mit Sagnol, der sich in den letzten Minuten gesteigert hätte. Dabei spielten sich beide geradezu klassisch fest, ohne dass die Juve-Abwehrcracks große Anstrengungen zu verrichten hatten.
Vier Minuten vor der Halbzeit spürte der geneigte Zuschauer sogar etwas wie Kampfgeist bei den Bayern, die inzwischen etwas öfter in der Spielhälfte der Italiener querspielten. Von denen kam inzwischen übrigens kaum mehr ein Angriff. Als ginge es in diesem Spiel nicht um Sieg oder Niederlage, sondern nur um 90 Minuten Fußball ohne Zielsetzung. Kurz vor dem Pausenpfiff fiel dem Reporter dann auch noch ein, dass Juve-Torsteher Buffon ein „ganz Ausgebuffter mit seinen 26 Jahren“ sei, und dass beiden Teams ein Unentschieden reichen würde. Ton abschalten und es sich gemütlich machen, drängte sich hier als überragende Alternative auf. Dem Werbeblock wurde ebenfalls keine Chance gegeben und ich legte die Neue von Tom Waits auf. Passte irgendwie zur Untermalung der beiden Highlights in Hälfte zwo, zu Kahns Fangfehler und dem abgezockten Tor von Nedved. Selbst vom FCB-Schlussspurt ließ ich mich nicht umstimmen, dem Reporter zu lauschen. Es sollte schließlich ein gemütlicher Fernsehabend werden.

Franz Heck



Gegen Haaland ist kein Kraut gewachsen. Jedenfalls kein Kraut aus Wehen oder Wiesbaden.

— Reporter Wolff Fuß im Pokalspiel SV Wehen Wiesbaden - Borussia Dortmund (0:3) mit drei Toren von Erling Haaland.