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Unverhoffte Wiedergeburt

von Günther Jakobsen10:10 Uhr | 27.02.2009

Weder Fans noch Experten und auch nicht die TV-Stationen hatten auf ein Bremer Weiterkommen noch einen Heller gesetzt. Doch Werder schaffte tatsächlich die Sensation, packte einen gleichgültigen AC Mailand mit beherztem Spiel bei den Hörnern und schaffte aus scheinbar aussichtsloser Lage noch ein 2:2-Remis. Nach verzweifelter Suche fand die Schaaf-Elf damit endlich ihren Teamgeist zurück.

Was sich zunächst noch wie ein Bluff angehört hatte, sollte sich bei Anpfiff bewahrheiten, denn Milan lief tatsächlich ohne ein ganzes Bündel an Stars auf und wollte das 1:1 aus dem Hinspiel mit einer vermeintlichen B-Elf verteidigen. Dass hingegen Werder das Spiel nicht egal war, merkte man vom ersten Moment an. Kaum, dass der Ball freigegeben war, machten sich die Gäste ans Werk und schoben ihren Gegner so entschieden zur Seite, dass es nur eine Frage der Zeit schien, bis es 0:1 stand. Nur: Wie schon gefühlte 100 Mal in dieser Saison und nicht zuletzt auch im Hinspiel machten die Grün-Weißen sich alles selbst wieder kaputt, indem sie auch vorzüglichste Chancen nicht nutzten. Fast im Minutentakt schossen Pizarro, Diego, Tziolis und allen voran Almeida am Tor vorbei, ließen sich im letzten Moment noch stoppen oder scheiterten am glänzenden Dida. Milan bettelte förmlich um ein Tor und zeigte sich seinen eigenen Fans in einer grausigen Verfassung. Als Werder sich aber nicht traute, zeigte die Seniorenelf ihr anderes Gesicht und ging wie aus dem Nichts auf eine Weise in Führung, die für beide Mannschaften typisch schien. Ein Freistoß von Beckham sprang Frings zunächst an die Hand, worauf Pirlo per Strafstoß zum 1:0 traf (26.). Gut sieben Minuten später bewies dann das Talent Pato seine ganz große Klasse und knallte den Ball auf unnachahmliche Weise zum kaum verhinderbaren 2:0 in den Winkel. Ungefähr anderthalb Torchancen genügten dem Berlusconi-Klub damit zu einer üppigen Pausenführung, derweil Werder auch im Anschluss noch drei richtig dicke Dinger liegen ließ (38./41./42.). Niederschmetternder also konnte die Lage kaum sein.

Allein deshalb, nämlich weil die Bremer es ausnahmsweise schafften, sich aus dem selbstgeschaufelten Loch zu befreien und die eigenen Fehler wieder gutzumachen, waren die folgenden Ereignisse eine pure Sensation. Noch lässiger als vorher lehnte Milan sich zurück und wartete allenfalls auf Konter, die erfahrungsgemäß gegen Werder gern zum Erfolg führen. Die Gäste aber verhielten sich nicht dumm. Mit Geduld und Spucke klopften sie die Mailänder Abwehr nun ab und verlegten sich vom Spielerischen verstärkt auf den Kampf. Auch als der Unparteiische ein elfmeterreifes Foul an Pizarro übersah, begannen sie außerdem nicht zu hadern, sondern ackerten so lange weiter, bis sie wieder zu Chancen kamen. Und diesmal nutzten sie sich auch: Nach einem Freistoß von Diego schraubte sich Pizarro in die Luft und brachte Werder mit einem entschlossenen Kopfballtor zurück in die Partie (68.). Eine packende Schlussphase nahm nun ihren Lauf. Bremen wurde mit jeder Minute größer und verwickelte die Italiener in einen Sturmlauf, auf den sie überhaupt nicht vorbereitet waren. Und elf Minuten vor dem Ende passierte es dann. Diesmal war es der eingewechselte Boenisch, der mit seltener Präzision von der linken Seite flankte und ebenfalls den Kopf von Pizarro fand. Gerade der Peruaner, der sich so oft selbst im Weg gestanden hatte, ebnete Werder mit seinem zweiten Kopfballtor nun den Weg aus der Krise (78.). Denn von Milan kam so gut wie überhaupt nichts mehr. Noch bis in Minute 95 musste die Schaaf-Elf zwar zittern, hätte das Spiel durch Rosenberg (80.) und Özil (85.) aber eher noch gewonnen, als es doch wieder tragisch aus der Hand zu geben. Dass sich das in der Summe beider Duelle um Längen bessere Team letztlich durchsetzen konnte, war insofern nicht die wichtigste Erkenntnis des Abends. Vielmehr konnte Werder, statt sich abermals selbst zu besiegen, endlich seine Qualitäten einmal ins Ziel bringen und entdeckte nebenbei seine eigene Teammoral zurück.

Maik Großmann



Ein Spiel ist erst vorbei, wenn der Schiedsrichter pfeift und ich nicht mehr brülle.

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