Ob die Schwaben nun den von Manager Rolf Rüssmann angeschobenen Gedanken des freiwilligen Einkommensverzichts (10 Prozent sind im Gespräch) realisieren oder nicht, eine Konsequenz hat die Finanzknappheit schon gebracht: Man setzt beim VfB auf die Jugend.
Die letzte Saison…
…weist den VfB als Mittelklasse-Modell der Liga aus. Die Bilanz: Dreizehn Siege, elf Unentschieden und zehn Niederlagen. Platz acht am Ende bedeutete die Qualifikation für den UI-Cup. Nach stotterndem Auftakt fand das Magath-getriebene Team schnell seinen Rhythmus und etablierte sich nahezu durchgehend im einstelligen Tabellenbereich. Eine Frustphase hatten die VfB-Fans zum Saisonstart zu überstehen. Die ersten drei Heimspiele endeten 0:0. Erst in der vierten Partie im Gottlieb-Daimler-Stadion fanden die Schwaben den Weg ins gegnerische Tor. Krassimir Balakovs Treffer zum 1:1-Ausgleich gegen Rostock brach den Bann und Viorel Ganeas verwandelter Foulelfmeter kurz vor Spielende machte den ersten Heimsieg perfekt. Von der wenig aussagekräftigen Platzierung am zweiten und dritten Spieltag abgesehen (Rang 16), hatte der VfB mit dem Abstieg - ganz im Gegensatz zur Vorjahressituation - nichts zu tun. Den Anschluss an die UEFA-Cup-Ränge verpassten die Stuttgarter indes hauptsächlich aufgrund ihrer Aussetzer vorm gegnerischen Tor (nur 47 Treffer).
Der Ex-Präsident des VfB, DFB-Präsident Gerhard Meyer-Vorfelder, hat während seiner Regentschaft dem Verein wahrscheinlich jede Menge wohlwollende Unterstützung zukommen lassen, eine gesicherte finanzielle Basis hinterließ er jedoch nicht. Im Gegenteil. Die hohe Verschuldung engte den Investitionsspielraum der Schwaben erheblich ein. Zudem musste sich „MV“ staatsanwaltlichen Ermittlungen über den Umfang seiner als „Aufwandsentschädigung“ deklarierten Einkünfte beim VfB stellen.
Die Neuen und der Kader
Dem Nachwuchs eine Chance geben und eigene deutsche Talente fördern - diese Parole ist derzeit, speziell mit Hinweis auf die fehlende Spielkultur der Nationalelf, sehr populär. Den Vereinen sind deutsche Nationalkicker natürlich auch lieb und teuer … aber, bitteschön, „fertige Spieler“ sollten es schon sein. Doch wer hat die Geduld, Talente aufzubauen und in der Bundesliga reifen zu lassen? Der VfB Stuttgart muss nun diesen Weg beschreiten. Der Kauf von Abwehrspieler Fernando Meira aus der Vorsaison (7.500.000 Euro, Debüt beim 3:0-Erfolg über den HSV) geriet schon zu einem finanziellen Kraftakt, der sich nicht beliebig wiederholen lässt. Nun also: Die Stunde des Nachwuchses. Benjamin Adrion (21, Mittelfeld), sowie die Stürmer Kevin Kuranyi (20) und Steffen Handschuh (22) von den VfB-Amateuren stoßen neu zu Felix Magaths Profikader. Die Talente Joannis Amanatidis (20, Angriff, von Greuther Fürth), Stephen Famewo (18, Angriff, von Eintracht Frankfurt), Diego Benaglio (18, Torwart, von Grashoppers Zürich) und Mittelfeldmann Michael Mutzel (22, von Eintracht Frankfurt) komplettieren die Neuzugänge. Bereits in der vorigen Saison mauserten sich die Youngster Christian Tiffert (20) und Aliaksandr Hleb (21) zu Stammspielern. Timo Hildebrand (23) ist bereits seit zwei Spielzeiten die Nummer eins im Stuttgarter Gehäuse. Bei weiterhin erfolgreicher Arbeit mit jungen Spielern „riskiert“ Trainer Felix Magath, seines Rufs als „gnadenloser Schleifer“ verlustig zu werden und als Förderer eines neuen „Jugendstils“ in die Annalen einzugehen. Die Achse Bordon - Soldo - Balakov garantiert allerdings weiterhin geballte Routine - und Spielstärke natürlich.
Problemzone Sturm
Gegen Ende der vorigen Saison drängte sich der Mann als Hoffnungsträger im Angriff auf, der, seit 1999 im Verein, bislang die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllte: Sean Dundee. Seine fünf Saisontreffer erzielte er in innerhalb der letzten sieben Spiele. Neben Viorel Ganea (mit zehn Treffern erfolgreichster Stürmer) ist somit auch der einstige KSC-Shooting-Star Dundee erneut ein Aspirant, die Stuttgarter „Problemzone Angriff“ wieder zu beleben. Ob das für Ferreira de Camargo Neto, genannt Adhemar, ebenfalls gilt, ist stark zu bezweifeln. Nach seinem sensationellen Einstand mit drei Toren im ersten Spiel (6:1 gegen Kaiserslautern, Febr. 2001, 20. Spieltag) und vier weiteren Treffern in der Restsaison 2000/01, baute der Brasilianer in der vergangenen Spielzeit mächtig ab (zwei Tore). Nach Abschluss der Serie bemühte sich Adhemar (Vertrag bis 2003), den VfB zu verlassen. Mitte Juli wurde die Rückkehr zu seinem brasilianischen Stammverein Sao Gaetano verkündet - verfrüht, wie sich herausstellte. Offizielle Angebote lagen dem VfB nicht vor. „Ich fürchte, dass ich Adhemar wiedersehe“, meinte daraufhin Felix Magath. Das spricht nicht für eine künftige harmonische Zusammenarbeit. Sollten die arrivierten Angreifer weiterhin mit Stotterbremse agieren, muss Mittelfeldspieler Silvio Meißner seine Torquote (acht Treffer) noch weiter steigern - oder einer der „jungen Wilden“ aus dem Windschatten treten.
André Schulin
Die VfB Stuttgart-Daten
Wir bedanken uns bei Bernd Krauss für die Jahre - und das ist keine Floskel - hervorragender Zusammenarbeit und unter glücklicheren Bedingungen alles, alles Gute.
— Gladbachs Präsident Karlheinz Drygalski entlässt live in der Pressekonferenz im Münchner Olympiastadion Trainer Bernd Krauss.