Von Rentnern und eingeschulten Kindern

In der Hinserie musste sich Dortmund den Gästen aus Gelsenkirchen mit 0:1 geschlagen geben. Fahren die Schwarz-Gelben im 13. Bundesligavergleich in Folge wieder keinen Dreier gegen Schalke ein, ist die letzte, dünne UEFA-Cup-Hoffnung dahin. Ein BVB-Erfolg im West-Schlager wäre nicht nur für die Aufbesserung der Bilanz dieses „Privatduells“ wichtig, sondern auch für den (über)strapazierten Klubhaushalt.
Schalker Schmäh
Zuletzt zwölf sieglose Ligaspiele gegen den Erzrivalen Schalke 04 (vier Niederlagen, acht Remis) stellen gewiss eine Belastung für die Schwarz-Gelben dar. Und die T-Shirts und Spruchbänder von S04-Fans, die besagen, dass in Gelsenkirchen bereits Kinder eingeschult wurden, die noch nie eine Schalke-Niederlage gegen den BVB erlebt haben, wurmen sicherlich den Anhang der Dortmunder sehr. Am Saisonende werden die Königsblauen in der Tabelle vor den Dortmundern platziert sein und zurecht auf eine (auch wenn das Maximalziel Meisterschaft verpasst wurde) erfolgreiche Spielzeit zurückblicken. Aber angesichts der existenziellen Gratwanderung, die der BVB quasi seit Saisonbeginn zu überstehen hatte, ist der sportliche Status Quo der Borussen respektabel.
Nah am Abgrund
Der Tiefpunkt war am neunten Spieltag erreicht, als die Borussia nach der 0:2-Heimpleite gegen den HSV auf Platz 15, um nur einen Zähler besser als das damalige Schlusslicht Kaiserslautern, angekommen war. Eine Woche darauf, mit dem 1:0-Auswärtserfolg in Berlin, der einzigen Heimniederlage der Hertha, begann die Wende: Selten Fußball zum Zungeschnalzen, aber ein beharrliches Sammeln notwendiger Punkte, um zumindest sportlich in gesicherte Regionen zu gelangen. Zurückzuführen ist diese positive Entwicklung auf Trainer Bert van Marwijk, dem man für seine besonnene Art, mit der Dortmunder Universalkrise umzugehen, Respekt zollen muss.
Sportlich konsolidiert
„Als ich hierher kam, wusste ich, dass es einen Motorschaden gibt. Dass er aber so groß ist, ahnte ich nicht“, formulierte van Marwijk sein Befremden, als er des ganzen Ausmaßes der Dortmunder Kalamitäten gewahr wurde. Nichtsdestotrotz konzentrierte er sich auf das für ihn Wesentliche - das sportliche Wohl der Mannschaft. So führte er verunsicherte Stammspieler wie Kehl, Dedè, Ricken, Rosicky, Ewerthon und auch Koller, die lange unter ihren Möglichkeiten blieben, allmählich wieder an ihr Leistungspotenzial heran. Entscheidende Schachzüge gelangen ihm jedoch bei anderen Personalien: dem Wechsel von Warmuz zu Weidenfeller im Tor, dem Stammplatz für Kringe im Mittelfeld und der Auffrischung des Angriffs durch den Wintertransfer von Smolarek (fehlt gegen Schalke wegen einer Bänderdehnung). Wiedererstarkt hat der BVB Außenseiterchancen, die lang anhaltende Erfolglosigkeit gegen die Knappen zu beenden. Die Fans der Schwarz-Gelben haben jedenfalls schon eine adäquate Antwort auf die hämischen Kommentare ihrer Schalker Pendants gefunden: „2005 gehen Menschen in Rente, die noch nie eine Schalker Meisterschaft erleben mussten“.
André Schulin