Von Zecke bis Ebay

von Günther Jakobsen17:26 Uhr | 06.07.2002

In der Woche nach dem WM-Finale hatten wir eigentlich mit einer Riesenwagenladung saurer Gurken gerechnet. Doch es kam alles ganz anders. Der Fußball rollte auch ohne Leder - und wie.

Zecke
Als erster Profi der Fußball-Bundesliga darf Andreas Neuendorf seinen Spitznamen auf dem Trikot tragen. Da „Zecke“ der Inbegriff eines technisch brillanten, kampfstarken und pflegeleichten Spielers ist, macht die Sache ja auch Sinn. Dass er während eines Trainingslagers von einer Zecke gebissen wurde, ist dagegen eher unwichtig. Wir warten nun auf die Schriftzüge: Pannen-Olli, Bayern-Balla, Effe-ohne-Land, Icke-mache-weiter etc.

Hoeneß verlangt Entschädigung für Deisler-Verletzung
Der DFB habe vier oder(?) sechs Wochen nur genommen, ließ Bayern-Manager Uli Hoeneß im Zusammenhang mit der Deisler-Verletzung verlauten. Jetzt sei es für den DFB Zeit, auch etwas zu geben. Gegenrechnung: Wie hoch taxieren wir den Gegenwert der gestiegenen Werbewirksamkeit eines (trotz/wegen Verletzung) durch die Medien geisternden Nationalspielers Sebastian Deisler. Und: Warum ist der FCB nicht gegen Nationalelf-Verletzungen seiner Stars versichert? Zudem: Ex-Nationalspieler Hoeneß musste – wir erinnern – seine Spieler-Karriere frühzeitig (verschlissen) beenden. Von der Überbeanspruchung seines Körpers in der Bundesliga, im DFB-Pokal, in der Nationalelf und während der Europapokalbegegnungen der 70er weiß der während der WM so angenehm lautlose Manager heute nichts mehr. Sollte Hoeneß Recht haben, muss Doc M.-W. z.B. den Abrieb der Spieler-Bänder, -Knochen etc. während einer WM, der Vorbereitung und den Freundschaftsspielen davor und danach homäopatisch, konventionell etc.berechnen. Haben Sie das gewollt, Herr Hoeneß?

Nationalelf-Rücktritte von Linke, Bode und Bierhoff
Wir warten nun auf schnellstmögliche Statements im ähnlichen Sinne von Christian Ziege (schon beim Andenken), Jens Lehmann (wehrt sich noch verzweifelt), Andreas Möller (irgendwie nie offiziell zurückgetreten), Jörg Heinrich (bevor ein neuer Anlauf kommt), Martin Max (es sei denn, Rudi überredet ihn), sowie Carsten Jancker (wg. Model-Karriere) und Lars Ricken (wg. regelmäßiger Teilnahmen an Talent-Wettbewerben aller Art).

Free-TV-Rechte an SAT1
Schon während der WM konnten wir es kaum erwarten, um 21:15 Uhr die Ereignisse des Tages fachmännisch und enthusiastisch (natürlich unter WM-Fieberkrämpfen) von SAT1 präsentiert zu bekommen. Trotzdem: Ein hartes Brot. Die Bundesliga soll nun bereits ab 18:00 Uhr (for nothing) den Samstagabend einläuten und den Premiere-Konferenzschaltungs-Muffel beglücken. Natürlich brauchen wir auch nicht auf die Wontorra-, Dahlmann- und Breitner-Mischpoke verzichten, die sich erneut angeboten haben soll, zwischen den Werbeblöcken zu vermitteln. Wir plädieren stattdessen für eine Oliver-Welke-Bundesliga-Show (Ersatzmann: Harald Schmidt bzw. Manuel Andrack), ohne Breitner etc., aber mit knackig-bösen Anmoderationen zum BL-Geschehen und einer Anti-Torwand (ohne Löcher, Publikum und Schützen).

Transfermarkt: 50 Millionen weniger Umsatz
Alles Geld ist an den Börsen und in den Spieler-Portemonnaise verbrannt. Die Kicker begnügen sich somit zukünftig mit den Almosen der Zuschauer (Feuerzeuge, aufgetragene Trikots etc.) und die Trainer üben sich derweil als Animateure der „Welle“ im Stadion. Funktionäre sitzen vor den Einkaufszentren und legen eine neue, krisensichere Grundlage für den kommenden Fußballboom bis 2006 an, während die Fußball-Moderatoren bei 9live, täglich ab 24 Uhr, Unterschlupf finden. Also - alles halb so schlimm.

Frankfurt erhält Zweitliga-Lizenz
Und Unterhaching? Die armen München-Vorstätter dürfen sich dafür im nächsten Jahr sportlich qualifizieren und erhalten als kaum abzulehnenden Trost die Rathaus-Feier nach dem WM-Sieg 2006, auf die Petra Roth, Bürgermeisterin von Frankfurt, wohl einmal verzichten kann. Bis dahin ist Haching eh wieder aufgestiegen, die Eintracht mehrmals auf- und abgestiegen und etwaige Lizenzen gibt’s gegen Höchstgebot bei Ebay.

Franz Heck



Vielleicht in ich nicht normal, weil ich sportlich denke.

— Berti Vogts