Man kann schon fast die Uhr danach stellen: Jedes zweite Jahr verpasst Bayern München die Meisterschaft und schlägt anschließend auf dem Transfermarkt zu. 2007 gaben die Münchner 88 Mio. für Neuzugänge aus, zwei Jahre später 75 Mio. und diesmal (bislang) 44 Millionen.
Der neue, alte Trainer Jupp Heynckes muss nicht nur den Umbruch im Schnelldurchlauf vollziehen, sondern auch die Scherben seines Vorgängers aufkehren. Verstärkt wurde deshalb vor allem in die Defensive - den Mannschaftsteil, der von Ex-Trainer Louis van Gaal tunlichst vernachlässigt worden war. Nationaltorhüter Manuel Neuer soll eine neue Ära beim Rekordmeister einleiten, nachdem die Bayern seit dem Rücktritt Oliver Kahns mit Michael Rensing, Jörg Butt und Thomas Kraft drei verschiedene Stammkeeper verschlissen haben. Zwei Jahre lang waren die Münchner auf der Suche nach einem Nachfolger für Philipp Lahm als Linksverteidiger. Nur um festzustellen, dass sie keinen finden können. Kapitän Lahm kehrt von der rechten auf die linke Abwehrseite zurück. Die Position des Rechtsverteidigers übernimmt Neuzugang Rafinha (FC Genua), den van Gaal allerdings schon vor zwei Jahren hätte haben können. Für die Innenverteidigung bekam der Liga-Krösus nach langem Hick-Hack seinen Wunschkandidaten Jerome Boateng (Manchester City). Aber ob der deutsche Nationalspieler die Lücke auf der Position tatsächlich schließen kann, die der FC Bayern durch die Abschiebung Lucios zu Inter Mailand im Sommer 2009 selbst verschuldet hat, ist eine andere Frage. Denn Boateng hatte in der vergangenen Saison mehr mit seinen Verletzungen als mit den gegnerischen Stürmern zu kämpfen und war in der Vergangenheit mehr ein Außenverteidiger als ein Manndecker. Im defensiven Mittelfeld würde Heynckes den bereits in der Winterpause abgewanderten „Aggressive-Leader“ Mark van Bommel am liebsten durch seinen Leverkusener Weggefährten Arturo Vidal ersetzen. Doch der Werksklub ziert sich, einen seiner Leistungsträger ausgerechnet an einen direkten Ligakonkurrenten zu veräußern. Sollte Vidal nicht kommen, dann wird wohl Anatoli Tymoshchuk und nicht der zu Jahresbeginn für 17 Mio. als designierte van-Bommel-Nachfolger verpflichtete Luiz Gustavo (1899 Hoffenheim) neben Bastian Schweinsteiger im defensiven Mittelfeld auflaufen dürfen.
Die Offensive braucht dagegen keine Verstärkung. Robben, Gomez und Co. sorgten selbst in der für bayerische Verhältnisse schwachen vergangenen Saison für manch ein Spektakel. Mit 81 Toren erzielten sie so viele Treffer wie seit Heynckes´ erstem Arbeitsjahr als Bayern-Trainer (1987/88) nicht mehr. Probleme gab es nur, wenn Robben mal gefehlt hatte. Um sich etwas mehr aus der Abhängigkeit vom Niederländer zu befreien, griffen die Münchner auf ein Stilmittel zurück, das in der Bundesliga in Mode zu kommen scheint. Waren früher die Tamagotchis der japanische Exportschlager in Deutschland, sind es heute die Kagawas. Bayerns Backup für die Flügelstürmer Ribery und Robben heißt Takashi Usami (Gamba Osaka). Weniger im Sturm als vielmehr auf der Bank soll Zweitliga-Torschützenkönig Nils Petersen (Energie Cottbus) den Platz des zu Lazio Rom abgewanderten Miroslav Klose übernehmen. Die Bajuwaren wollen den 22-Jährigen zum Gomez-Nachfolger aufbauen. Aber wieso? Denn der Erstliga-Torschützenkönig ist doch auch erst 26 Jahre alt. Bleibt für Petersen nur zu hoffen, dass er beim deutschen Rekordmeister kein zweiter Schlaudraff, Hashemian oder gar Del´Haye wird.
Wie vor jeder Saison ist der FC Bayern auch diesmal der Topfavorit auf den Titel. Auch für den neuen Trainer ist die Meisterschaft Pflicht, obwohl der Teamplayer Heynckes mehr Rückhalt im Verein erwarten darf als sein exzentrischer Vorgänger van Gaal. Die Kür gibt es in der Champions League, wo das Finale diesmal in der heimischen Arena stattfindet. Aber erst einmal müssen die Münchner die Qualifikation zur Königsklasse überstehen. Von dieser wenn auch wahrscheinlich kleinen Hürde ist die restliche Spielzeit abhängig.
Senthuran Sivananda
Der Dettmar Cramer hat doch nur den Schwarzen im Senegal beigebracht, wie man Kakteen umdribbelt.
— Max Merkel