Kaum einem anderen Bundesligaklub hat ein Erstligaabstieg so gut getan, wie anno 1980 der des SV Werder den Bremern. Nach der einjährigen Abstinenz kehrten sie gestärkt zurück und etablierten sich seitdem - abgesehen von jener Phase, in der der Chefcoach nicht auf den Namen Rehhagel oder Schaaf hörte - zumeist im vorderen Bereich der Tabelle.
Personaltechnisch konnte Werder, seit 1999 in Person von Klaus Allofs, der Mannschaft immer wieder Blutauffrischungen durch Spieler verschaffen, deren Wertschöpfung erst in Bremen größtmögliche Dimensionen erreichte (wie Micoud, Diego, Ismael, Naldo). Der SVW beherrscht die Kunst, im laufenden Prozess spielstarke, vor allem auch torgefährliche Teams aufzubieten. Auch derzeit ruft die Aussicht, den von internationalen Topklubs begehrten Spielmacher Mesut Özil über kurz oder lang an finanzkräftigere Konkurrenten zu verlieren, an der Weser keine Panikreaktionen hervor. Personell ist man ist gewappnet. Magenschmerzen bereitet eher die Möglichkeit, den in Bremen zum Star aufgestiegenen Özil im nächsten Jahr ablösefrei zu verlieren. Mit Marin (Pendler zwischen Sturm und Mittelfeld) sowie dem auf Anhieb gut eingeschlagenen Eigengewächs Philipp Bargfrede entwickelten sich in der letzten Saison neue belastbare Säulen im Werder-Mittelfeld.
Eine gewisse Anfälligkeit der Defensive werden die Bremer weiterhin in Kauf nehmen müssen. Die offensive Ausrichtung bleibt, Sofort-Verstärkungen für die Abwehr (Problembereich linke Außenbahn) konnten jedoch nicht gefunden werden. Die wenigen Neutransfers zur Saison 2010/11 - Sandro Wagner muss man fast dazurechnen (zwar schon in der Winterpause verpflichtet, nach Kreuzbandriss aber erst jetzt konkurrenzfähig) - vergrößern Werders Offensivoptionen: Marko Arnautovic (von Inter Mailand) kam als viel versprechender Stürmer, dem an der Seite Claudio Pizarros der Durchbruch gelingen könnte. Problem: Dem Österreicher fehlt noch das Feintuning zum Grünweißen. Youngster Felix Kroos (von Hansa Rostock) zeigte in der Saisonvorbereitung gute Ansätze und soll perspektivisch eine ähnliche Entwicklung wie sein älterer Bruder Toni (FCB) nehmen. Unsicherheit besteht noch um den Transfer des Brasilianers Wesley (FC Santos), der als Allround-Könner im Mittelfeld vorgesehen ist.
Der Tunesier Abdennour (zurück zu ES Sahel) entpuppte sich nicht als der erhoffte Heilsbringer für die Abwehraußenbahn links, deshalb ist auf dieser Position Rotation denkbar. Prödl hat es schwer; muss in der Innenverteidigung den gesetzten Mertesacker und Naldo den Vortritt lassen. Borowski, und Jensen (sofern von Verletzungen verschont), Pasanen und Almeida dürfen nicht auf Plätze in der Startformation hoffen, sollten aber auf ihre Einssatzzeiten kommen. Vielleicht wirft Thomas Schaaf, wie im Falle Bargfredes, auch wieder einen aus Werders II. kommenden Akteur ins Rennen. Für den in der letzten Saison enttäuschenden Rosenberg - falls er denn in Bremen bleibt - scheint indes kein Platz mehr frei für die erste Reihe zu sein. Ein signifikanter personeller Umbruch steht bei den Grünweißen nicht an, gleichwohl ist nicht auszuschließen, dass sich in der Transferperiode noch etwas tut. Werders Saisonziele sollten sich auf dem gewohnt hohen Niveau bewegen: Die Qualifikation für die Champions League (Play-Off gegen Sampdoria Genua am 17./18. und 24./25. August), das DFB-Pokal-Finale und in der Liga ein Platz unter den ersten Drei.
Mögliche Aufstellung: Wiese - Fritz, Mertesacker, Naldo, Boenisch (Pasanen) - Hunt, Frings, Bargfrede, Özil, Marin (Arnautovic) - Pizarro (Almeida)
Ich habe immer betont, dass ich keine Erfahrung als Trainer habe. Ich hatte nur eine Deadline und das war der 9. Juni.
— Jürgen Klinsmann zu seinem Engagement als Bundestrainer zur Heim-WM 2006.