„Das W auf dem Trikot“ ist eine der beliebtesten Werder-Fanhymnen. Auch in der neuen Saison bietet das Textil (höchstwahrscheinlich) Platz genug, den kompletten Songtext zu beflocken. Ein adäquater Sponsor ist nicht in Sicht. Sportlich ist das nicht nachzuvollziehen.
Die letzte Saison…
…hat bewiesen, dass die Bremer immer wieder für Überraschungen gut sind. Trieben sie ihren Anhang noch mit einem Fehlstart zur Verzweiflung (Fünf Punkte nach sechs Spielen), bekamen die Fans im Dezember den Mund vor freudigem Erstaunen nicht mehr zu. Die Bremer belegten nach dem 18. Spieltag Platz drei in der Tabelle, gerade mal drei Zähler hinter den punktgleich führenden Leverkusenern und Borussia Dortmund. Auf dem Weg in die Spitzengruppe der Liga hatte Werder hintereinander die Topklubs Bayern München, Schalke 04 und Bayer Leverkusen geschlagen sowie gegen den BVB ein für die Westfalen schmeichelhaftes Remis erzielt. Champions-League und Eingriff in den Meisterschaftskampf schienen greifbar nahe. Eine (allerdings bedeutungslose) Jahreswertung wies den SV Werder als bestes Bundesliga-Team des Jahres 2001 aus. Dem Höhenflug Ende 2001 ließen die Bremer eine verblüffende Pleitenserie in den ersten Spielen der Rückserie folgen. Vier Punkte aus sieben Spielen warfen (fast) alle hoffnungsvollen Ambitionen über den Haufen. Zum Saisonende legte Werder dann wieder eine kleine Erfolgsserie hin und rettete den sechsten Platz (letzte UEFA-Cup-Teinahmeberechtigung) vor den punktgleichen Lauterern.
Die Neuen und der Kader
Schon vor dem ersten Spiel ausgebremst - dieses bittere Schicksal ereilte Manuel Friedrich. Im Trainingslager auf Norderney blieb der Neuzugang von Mainz 05 an einer Grassode hängen und verdrehte sich das Knie - Diagnose: Kreuzbandabriss, mehrere Monate Pause. Doppelt bitter für den Zweitliga-Shooting Star der vergangenen Saison: Werder-Coach Thomas Schaaf sah in dem Abwehr-Spieler sofort einen „Stammplatz-Kandidaten“. Weitere Neuzugänge sind Angelos Charisteas (Angriff, von Aris Saloniki), Markus Daun (Angriff, von Leverkusen ausgeliehen) und Marco Reich (Angriff, von Köln). Von den eigenen Amateuren wurden zudem Blaise Mamoum (Angriff) und Christian Schulz (Mittelfeld) in den Profi-Kader berufen. Die Liste der Abgänge enthält etliche langjährige Leistungsträger: Torsten Frings (Borussia Dortmund), Frank Rost (Schalke 04), Dieter Eilts (Karriereende), Marco Bode (Ziel unbekannt), Rade Bogdanovic (Arm. Bielefeld), Roberto Silva (Sporting Christal Lima), Enrico Kern (Ziel unbekannt), so dass von einem echten Umbruch an der Weser gesprochen werden kann. Trainer Thomas Schaaf hat allerdings bereits in der vergangenen Saison Spieler wie Tim Borowski, Fabian Ernst und Razundara Tjikuzu in die Pflicht genommen, die auch ihren Anteil an den Erfolgen der Bremer hatten. Ein „harter Schnitt“ steht somit nicht an. Eine weitere Verstärkung erhofft man sich von der Verpflichtung des argentinischen Mittelfeldstars Leandro Romagnoli (San Lorenzo). Der Transfer steckt allerdings noch in der Verhandlungsphase.
Manche Dinge dauern in Bremen etwas länger: Die Suche nach einem Trikot-Sponsor etwa, oder Ailton „Abseits“ zu erklären. Im Sinne des SV Werder kann man nur hoffen, dass die Nachfolge der neuen Nummer eins im Tor (Frank Rost ging zu Schalke) zügiger geklärt wird. Die Bremer Keeper zählten immer zu den Spitzenleuten in der Bundesliga, von Günther Bernhard über Dieter Burdenski und Oliver Reck bis Frank Rost. Nun muss sich zeigen, ob von den Kandidaten Jakub Wierzchowski und Pascal Borel einer das Zeug dazu hat, die Tradition seiner Vorgänger fortzusetzen. Ob Werder eine gutklassige Besetzung in dieser exponierten Position anzubieten hat, ist das größte Fragezeichen vor der neuen Saison.
Werders Blitz-und Bomber-Sturm
Mit „Kugelblitz“ und „Giros-Bomber“ will Werder die Abwehrreihen der Konkurrenz aus den Angeln heben. „Kugelblitz“ Ailton beweist seit drei Spielzeiten (sieht man einmal von seiner Abseitsstellungs-Manie ab), dass er, wenn er gut aufgelegt ist, jede Abwehr „knacken“ kann. Davon war der „Weiße Tank“, alias Roberto Silva, weit entfernt. Der Peruaner spielte - vielmehr, er spielte eher nicht (sechsmal eingewechselt) - für seinen zum FC Bayern gewechselten Landsmann Claudio Pizarro. Nach Saisonende schickten die Bremer den Stürmer zurück in seine Heimat. Ein derartiges Missverständnis soll sich mit „Giros-Bomber“ Angelos Charisteas nicht wiederholen. Schließlich hat der Bremer Fußball-Schutzpatron Otto Rehhagel, derzeit Trainer der griechischen Nationalelf, den Transfer wohlwollend abgesegnet. Bleibt die Frage, hat „Otto“ die „Wahrheit auf dem Platz“ gesehen oder das „Orakel von Delphi“ befragt?
André Schulin
Die Werder Bremen-Daten
Da war ja eine Videobeweis-Orgie.
— Oliver Kahn beim Spiel Portugal gegen Iran zum häufigen Eingriff des VAR