Wir können uns freuen! Alle Fußballfans zumindest. Nicht nur die deutsche Liga erfreut sich wieder größerer Attraktivität und verpflichtet erstmalig seit Jahren Spieler jenseits der Qualität von Marcelo Pletsch oder Carsten Jancker. Nein, auch die Nationalelf scheint angesichts der anstehenden Fußball-Weltmeisterschaft an Ansehen zu gewinnen. Die Schlange der Spielwütigen ist lang, selbst Dinosaurier wie Fredi Bobic verkünden gebetsmühlenartig, "2006 topfit" sein zu wollen. Obwohl sie wenige Tage zuvor noch bei Fortuna Düsseldorf im Gespräch waren.
Plötzlich aber biedern sich nicht nur deutsche Kicker beim Schwabenpfeil an, sondern auch Ballzauberer aus dem Ausland. Lincoln zum Beispiel. Der geschmeidige Brasilianer mit der Zahnspange könnte in Deutschland 70 Tore pro Jahr machen, in der Selecao ist die Spielmacherposition dermaßen überbesetzt, dass er dennoch keine Chance hätte. Warum also nicht einmal vorsichtig in Deutschland anklopfen?
Oder Valerien Ismael. Der starke Franzose sieht sich von Nationaltrainer Raymond Domenech ungerecht behandelt. Einsätze für die "Equipe tricolore"? Fehlanzeige. Da liegt nichts näher, als sein Glück auf der anderen Seite der Grenze zu versuchen. Doch wie sind die Bewerbungen der ausländischen Bundesliga-Kicker zu bewerten? Sportlich wären sie gewiss eine Bereicherung, aber wie steht es um die beiderseitige Identifikation? Sollte sich ein deutscher Nationalspieler nicht zumindest im Herzen als Deutscher fühlen oder in der Ahnenreihe einen Großonkel mit deutschem Schäferhund besitzen? Irgendwie schon, denkt sich der Fan, der auch lieber jungen Talenten vom SC Egelsbach zujubelt als Kickern, die sich mal eben Schwarz-Rot-Gold überstreifen, weil sie in ihrer Heimat chancenlos sind.
Ohne falsch verstanden zu werden: Die deutsche Nationalelf sollte ein Zusammenschluss der besten deutschen Spieler sein. Und nicht zum Tummelplatz für Akteure werden, die, nur um einmal vor der Partie eine Nationalhymne zu hören, plötzlich ins andere Lager übersiedeln. Diese Einstellung hat nichts mit Ausländerfeindlichkeit zu tun. Jeder Fußballfan begeistert sich an brasilianischer Lebensfreude, afrikanischer Dribbelkunst und britischer Härte. Aber die Nationalelf agiert mit anderen Maßstäben als ein Vereinsteam. Jürgen Klinsmann hat den Anspruch, den Titel 2006 "aus eigener Kraft" zu gewinnen. Recht hat er. Oder wollen Sie sich nach einem Finalsieg über Holland beim Gegner für die Auswahl der Spieler rechtfertigen müssen? Richtig. Wir auch nicht.
Thomas Nowag (11FREUNDE-Redaktion)
Jetzt wechselt Jamaika den Torhüter aus!
— Gerd Rubenbauer, als der FIFA-Beauftragte am Spielfeldrand eine Minute Nachspielzeit anzeigte