Werder empfing Madrid in der personell größten anzunehmenden Not und übertraf sich dennoch in einer Weise selbst, dass Real trotz starker Vorstellung einknicken musste. Mit guter Chancenverwertung, hoher Konzentration und vor allem leidenschaftlichem Kampf siegte Bremen mit 3:2 und erhielt sich alle Chancen aufs Weiterkommen. Die Königlichen müssen dagegen nachsitzen.
Der Mannschaft von Bernd Schuster war zu Ohren gekommen, dass der Gegner ohne Spielmacher Diego, Schlüsselspieler Frings und Torwart Tim Wiese auskommen musste. Wer den Bremern aber wirklich alles fehlte, verriet erst ein Blick auf die Startelf, in der gerade noch vier Namen aus der vermeintlichen Bestbesetzung übrig waren. Kurzfristig war auch noch Tim Borowski rausgerutscht, Aaron Hunt musste nach einem halben Jahr Pause direkt von Anfang an spielen. Niemand erwartete daher etwas von dieser Elf, inklusive Real Madrid, und daraus schöpften die Gastgeber Kraft. Nach drei Minuten angelte sich Fritz auf der rechten Seite den Ball, wühlte sich bis zum Strafraum und beflankte Sanogo in der Mitte. Von dessen Schulter tropfte das Leder zu Markus Rosenberg, der völlig frei zum Schuss kam, das Spielgerät nicht richtig traf und genau dadurch Iker Casillas überwinden konnte – gleich mit dem ersten Angriff war Real Madrid kalt abgeduscht. Gleich zweimal wurde Werders Tapferkeit dann schwer geprüft. Direkt nach der Führung musste zunächst Fritz verletzt raus und durch eine der letzten Bankreserven Tosic ersetzt werden (6.), dann griff auch Real ein erstes Mal ernsthaft an und kam durch Robinhos Raffinesse direkt zum Ausgleich: Schräglinks im Strafraum hatte er den langen Mertesacker vor sich, zog aber trotzdem unerschrocken ab und traf ins äußerste lange Eck; Christian Vander war ohne jede Chance (14.). Kurz spielte Madrid nun mit den Muskeln und gab Kostproben seiner technischen Brillanz. Auch Werder aber verhielt sich wie ein Spitzenteam, bündelte gekonnt seine Kraft und spielte sie kurz vor der Pause noch einmal aus. Schnell, wie man ihn noch nie in Bremen gesehen hatte, raste Rosenberg da plötzlich über rechts nach vorn, vernaschte Gago und Metzelder und flankte punktgenau zu Sanogo, der trotz Pepes Bewachung den Fuß hineinsteckte und traf (40.). Zur Pause führte die Notelf gegen die Weltauswahl 2:1.
Wie anders alles hätte laufen können, zeigte sich direkt nach Wiederbeginn, als van Nistelrooy einmal reichlich (46.) und ein anderes Mal völlig frei (56.) vor Vander zum Schuss kam und beide Male versagte. Die Tormaschine funktionierte diesmal nicht. Auf der anderen Seite imponierte Werder auch im zweiten Abschnitt enorm, brachte es sogar fertig, seinen bisher gezeigten Kraftaufwand zu steigern, ebenso wie seine Torgefahr. Nach 50 Minuten ging schon der Torschrei durch die Arena, als Sanogo eine Jensen-Flanke erwischte, Casillas den Kopfball mit einer Teufelstat aber abwehren konnte. Acht Minuten später, kurz nach van Nistelrooys 100-prozentiger Chance, lief dann Hunt plötzlich auf und davon und spitzelte den Ball klug am entgegenkommenden Torwart vorbei zum 3:1 ins Netz. Werder spielte nun am Limit. Ausnahmslos alle Hanseaten kämpften verbissen um jeden Grashalm. Naldo und auch Tosic räumten hinten auf, Baumann saugte vor der Abwehr Staub und Daniel Jensen lieferte sein Gesellenstück, ließ völlig vergessen, dass der Könner Diego überhaupt nicht dabei war. Umgestoßen war der Bock aber noch nicht. Gerade hatten Rosenberg und Baumann Chancen auf ein unbegreifliches 4:1 vergeben, da hebelte van Nistelrooy das Leder gekonnt zum Anschlusstor ins Netz (71.). Real verlor dieses Spiel nicht gern, wie sich in der Folge deutlich zeigte. Selbst mit neu entbranntem Ehrgeiz und Robben als frischer Waffe im Sturm war für die Königlichen aber nichts mehr zu holen, da Werder sich, wie als Lernbeweis vieler bitter verlorener Champions-League-Schlachten, den verdienten Lohn nicht mehr nehmen ließ. Mit dem knappen Sieg erzeugte Bremen nicht nur ein Raunen in Europa, sondern bewahrte auch seine einzige Chance auf das Achtelfinale. Für Real dagegen, dem ein Remis zum sicheren Weiterkommen gereicht hätte, geriet es überraschend wieder in Gefahr.
Maik Großmann
Es geht aber nicht nur mit Spielern, die alle gleich gestrickt, gleich geföhnt und gleich gegelt sind.
— Jürgen Kohler über seiner Meinung nach fehlende Führungspersönlichkeiten bei seinem Ex-Klub Borussia Dortmund