Unsere Kollegen aus der 11Freunde-Redaktion präsentierten nicht nur die 100 größten Spiele aller Zeiten, sondern haben sich auch um die zehn unterirdischsten Grottenkicks der Fußballgeschichte Gedanken gemacht. Ein leicht masochistischer Rückblick für alle, die damals irgendwie mit dabei waren.
1. Brasilien – Italien 3:2 n.E. (Weltmeisterschaft 1994, Finale)
Was hätte das für ein Finale werden können? Auf der einen Seite Donadoni, Berti und vor allem Roberto Baggio, auf der anderen Carlos Dunga, Bebeto und Romario. Am Ende war das Spiel ein einziger Fehlpass über 120 Minuten. Aber ganz so überraschend kam dieses Defensivfestival eigentlich nicht, stand Brasiliens Trainer Carlos Alberto Parreira doch nicht zu Unrecht in dem Ruf, einen sehr europäisch orientierten Fußball spielen zu lassen. Und so trug es sich zu, dass sich insbesondere Baresi und Mauro Silva sowie Jorginho und Albertini über die gesamte Spielzeit nahezu vollständig neutralisierten. Eigentlich kam das Spiel ganz ohne Torchance aus. Die Teams verrichteten sich ausschließlich aufs Zerstören – des WM-Finales im speziellen und des Fußballsports im Allgemeinen. Es war ein grauenvoll ödes, unzumutbares und über die Maßen schlechtes Fußballspiel zweier Mannschaften, die angeblich die besten dieser Zeit waren. Dass ausgerechnet ein verschossener Elfmeter eines verletzten Stürmers das Finale entschied ist nur allzu bezeichnend für eine Partie, deren bloßer Eintrag in die WM-Annalen schon einen Angriff auf die Fußball-Ästhetik darstellt.
2. Deutschland – Österreich 1:0 (Weltmeisterschaft 1982, Vorrunde)
Eine kolossale Frechheit und eines der dunkelsten Kapitel deutscher und österreichischer Fußballgeschichte. Nach dem 1:0 durch Hrubesch (10.) knickerten sich die 22 Spieler 80 Minuten den Ball derart lustlos und verweigernd hin und her, dass nicht einmal ein Hauch von Zweifel übrig blieb, dass dieses Spiel von vorne bis hinten geschoben war. Büßen mussten diese Unverfrorenheit die Algerier, die tatenlos zusehen durften, wie sie genau durch dieses Resultat ihres verdienten Finalrundeneinzugs beraubt wurden. Die bodenloseste Unverschämtheit leistete sich nach dem Spiel Österreichs Delegationsleiter Dr. Hans Tschak mit seinen rassistischen Ausuferungen über den gefoppten Gegner aus Afrika: „Natürlich ist heute taktisch gespielt worden. Aber wenn jetzt deswegen hier 10.000 Wüstensöhne im Stadion einen Skandal entfachen wollen, zeigt das doch nur, dass die zu wenige Schulen haben. Da kommt so ein Scheich aus einer Oase, darf nach 300 Jahren mal WM-Luft schnuppern und glaubt jetzt, die Klappe aufreißen zu können.“ Unfassbar.
3. Ukraine – Schweiz 3:0 n.E. (Weltmeisterschaft 2006, Achtelfinale)
Bei diesem Spiel kann man sich nicht recht entscheiden, was genau eigentlich das qualitativ Wertloseste war. Das offensichtliche offensive Unvermögen beider Teams oder die schier unentwegt zur Schau gestellte Willenlosigkeit, ein Tor zu erzielen, oder die blamable Elfmeterleistung der Schweizer, die nicht einen einzigen Strafstoß verwandeln konnten oder aber Marco Strellers Wutausbruch nach dem Abpfiff, in dem er sich verständnislos über die deutschen Fans äußerte. Sie hatten es doch tatsächlich gewagt, während dieser Demonstration hoher Fußballkunst die deutsche Nationalmannschaft anzufeuern, anstelle unablässig die Nati anzuhimmeln. Das ist aber auch eine Unverfrorenheit! Dabei hatte der Stürmer des VfB Stuttgart wohl vergessen, dass sie dem Publikum nicht auch nur zwei Sekunden lang Fußball angeboten hatten, der den Respekt der viel Geld bezahlenden Fans verdient gehabt hätte. Die Pfiffe waren fast noch ein Zugeständnis. Denn an diesem Junitag hatten die beiden Mannschaften so wenig zu geben, dass nicht Wenige im Stadion bei einem Nickerchen beobachtet wurden.
4. 1. FC Köln – Fortuna Köln 1:0 (DFB-Pokal 1983, Finale)
In Anbetracht der ausufernden Erwartungshaltungen, die diesem ersten reinen Derby in der DFB-Pokal-Endspiel-Historie entgegengebracht wurden, konnte die Partie zwischen dem kleinen Zweitligisten Fortuna und dem großen Bruder aus der ersten Liga, dem 1. FC Köln, ja nur zu einer Enttäuschung werden. Zumal das Duell auch noch im Müngersdorfer Stadion ausgetragen wurde und ganz Köln schon drei Tage im Vorfeld völlig außer Rand und Band geriet. Dass das Starensemble um Fischer, Schumacher und Allofs allerdings derart gehemmt gegen einen eigentlich hoffnungslos unterlegenen Gegner aufspielte, war schon arg verwunderlich. Aber auch die Fortuna tat wenig für die Offensive und wurde so weniger Opfer eines schlechten Spiels, denn vielmehr Gärtner desselbigen. So neutralisierten sich die beiden Angriffsreihen über weite Strecken und in der 68. Minute war es schließlich der o-beinige Littbarski, der die Kugel zum 1:0 einstocherte. Ein wahrlich zu vernachlässigendes Stück Pokalgeschichte – das so bedeutend hätte werden können.
5. Deutschland – Polen 0:0 (Weltmeisterschaft 1978, Vorrunde)
Das wohl fadeste Eröffnungsspiel der WM-Geschichte. Am 1. Juni 1978 trafen sich im Estadio Monumental zu Buenos Aires um 15 Uhr zwei Mannschaften mit großen Plänen: Die Polen wollten sich für die etwas unglückliche 0:1-Niederlage bei der WM 1974 revanchieren – die Deutschen hatten vor, direkt zu Beginn ihren Anspruch auf die Titelverteidigung zu untermauern. Beide Vorhaben gingen gründlich in die Hose. Heraus kam letztlich eine 90-minütige Abwehrschlacht ohne nennenswerte Torraumszenen. Bei den Deutschen war das Loch, das Beckenbauer und Netzer/Overath hinterlassen hatten, einfach nicht zu schließen. Auf polnischer Seite war nicht der geringste Funken an spielerischer Raffinesse oder Spritzigkeit zu verzeichnen. So plätscherte das Spiel dahin und gegen 16 Uhr 50 waren wohl alle 76. 657 Anwesenden heilfroh, die längsten zwei Stunden ihres Lebens hinter sich gebracht zu haben.
6. Frankreich – England 0:0 (Europameisterschaft 1992, Vorrunde)
„Wenn die Zuschauer Unterhaltung wollen, dann sind sie hier falsch“, keifte Englands David Platt nach dem Spielende. Das gesamte Stadion hatte die Leistung beider Mannschaften mit einem gellenden Pfeifkonzert und den Rufen „Was ein Haufen Müll“ quittiert. Selbst für neutrale Beobachter waren die mit dem Label „Fußballspiel“ versehenen 90 Minuten eine einzige Zumutung. Der selbst ernannte EM-Favorit England schoss auch im zweiten Spiel des Turniers kein Tor und Platinis Frankreich versprühte nichts von dem Zauber, den der Trainer 1984 noch auf dem Rasen verbreitete. Es gab nur eine einzige Torchance: der glücklose Gary Lineker stürzte aussichtsreich zum Ende der rund zehnminütigen englischen Auftaktoffensive in den gegnerischen Strafraum, passte zu Alan Shearer, doch sein Sturmpartner vertändelte den Ball. Welch ein Spitzenspiel.
7. Bayer Leverkusen – Hertha BSC Amateure 1:0 (DFB-Pokal 1993, Finale)
Ein einmaliges Ereignis in der Fußballgeschichte: 76.391 Zuschauer bejubelten ein Spiel, das viel schlechter nicht hätte sein können. Der Masse war’s egal, denn fast alle hofften auf einen Sensationstriumph der Hertha-Bubis um die mitreißenden Carsten Ramelow und Christian Fiedler. Die Berliner Amateure zerstörten das Spiel der Werkself mit unglaublich brachialer Vehemenz und die Leverkusener hatten so große Angst vor einer Blamage, dass sie erst in der 77. Minute einen Abpraller des Hertha-Torwarts zum 1:0 nutzen. Schmerzhafter als das Spiel war nur der Discosong der Amateure: „Schuss, Tor, Hurra – wir holen den Pokal.“ Manchmal ist man froh, dass es keine Überraschungssiege gibt.
8. Deutschland – Portugal 0:0 (Europameisterschaft 1984, Vorrunde)
Eigentlich waren die Rollen klar verteilt: Der Titelverteidiger Deutschland traf auf den EM-Neuling Portugal. Doch die Mannschaft von Trainer Jupp Derwall brachte nur wenig Aufregendes zustande. „Rückfall in schlimmste Zeiten“, titelte der „Kicker“ und es war wirklich nicht der Hauch einer spielerischen Linie zu erkennen. Noch dazu traute sich kein einziger Nationalspieler, den Ball über einen längeren Zeitraum über den Platz zu bewegen. Wer den Ball hatte, versuchte ihn schnellstmöglich wieder loszuwerden. Schon in der ersten Halbzeit machten die deutschen Fans ihrem Ärger mit einem wütenden Pfeifkonzert Luft. Als Hauptschuldiger dieser Enttäuschung darf sicheren Gewissens Trainer Derwall bezeichnet werden: Er setzte Rummenigge als Spielmacher ein, was gründlich misslang, und beorderte den starken Ballverteiler Uli Stielike auf die Liberoposition.
9. Racing Buenos Aires – Celtic Glasgow (Weltpokal 1967, Finale)
Die englische Zeitung „News of the World“ schrieb in die Autorenzeile über dem Spielbericht: „Von unserem Fußball-Kriegsberichterstatter aus Montevideo“. In der Tat glich das Verhalten der Spieler beim Weltpokalfinale einem Kettensägenmassaker.
Vier Schotten und zwei Argentinier wurden vom Platz gestellt, allerdings weigerten sich Carlos Rulli und Bertie Auld zu gehen. Trotz einschlägiger Attacken sah der Schiedsrichter daraufhin von weiteren Platzverweisen ab. Schließlich verletzte ein Zuschauer noch den Celtic-Torwart Ronnie Simpson mit einem Metallgeschoss am Kopf.
Diese Partie gab für die folgenden Vergleiche zwischen Südamerika und Europa die Marschrichtung vor: Für mehr als ein Jahrzehnt hatte der Weltpokal das Image eines Amoklaufs. Die „News of the World“ forderte daher vollkommen zurecht: „Schafft dieses interkontinentale Gemetzel ab, oder bewaffnet die Spieler, gebt ihnen Gewehre und legalisiert das Kriegführen im Sport.“
10. FC Nantes – Bayern München 0:1 (CL 2001/2002, Zwischenrunde)
Die Strategie, mit der Bayern München antrat, war ein Beweis für die große taktische Genialität von Trainer Ottmar Hitzfeld. Er gab seinen Jungs allen Ernstes im Jahr 2001 die Marschrichtung vor: Spielt mit langen hohen Bällen auf unsere riesigen, kopfballstarken Stürmer Jancker und Pizarro. Schlecht nur, dass Nantes zwei riesige, kopfballstarke Innenverteidiger hatte. So dauerte es unendliche 20 Minuten, bis es zum ersten Eckball kam. Auch sonst wurde der Ball sensationell unmotiviert hin- und hergeschoben. Irgendwie köpfte Paulo Sergio noch das Siegtor, der geniale Meistertrainer strahlte, doch selbst der „Kicker“ urteilte messerscharf: „Öde, fad, ohne jeglichen Esprit.“
... auch 90 Prozent der DFB-Spiele in der Ära Erich Ribbeck (1998-2000) müssten eigentlich in einer Liste unerwarteter Grottenkicks aufgeführt werden.
Daniel Müller und Johannes Scharnbeck
11Freunde-Online
Da ärgert er sich wie ein Schneekönig.
— Sabine Töpperwien über eine ausgelassene Großchance