1. FC Kaiserslautern vor der Saison 2002/2003

von Günther Jakobsen15:43 Uhr | 30.07.2002

Das UI-Cup-Aus gegen FK Teplice hat vorzeitig die Lauterer Hoffnungen durchkreuzt, durch einen UEFA-Cup-Einzug den Deckel über offene Pfälzer Wunden zu legen. Andreas Brehme, nach dem Rauswurf von Reinhard Stumpf allein verantwortlich fürs sportliche Abschneiden der Mannschaft, hat es neben der Abstimmung des Teams auf die neue Saison mit einem hohen Erwartungsdruck im Umfeld und einer zaudernden Vereinsführung zu tun. Zu viel für den WM-Held von 1990?

Die letzte Saison…
…startete das Team zunächst überraschend an die Spitze der Liga durch, um nach einem spannenden Finale mit fast leeren Händen dazustehen. Statt Meisterschaft oder Champions League sprang am Ende lediglich die UI-Cup-Teilnahme heraus - eine maßlose Enttäuschung, gemessen an den Platzierungen über den gesamten Saisonverlauf. Lediglich an den letzten drei Spieltagen belegten die „Roten Teufel“ einen Nicht-UEFA-Cup-Platz. Dabei verlief der Saisonstart teuflisch gut. Mit sieben Siegen in Folge hatten die Pfälzer den Startrekord der Bayern (1995) eingestellt. Das 0:2 in Wolfsburg beendete die Siegesserie, das 1:4 in München zwei Wochen später gegen die Bayern den Anspruch, um den Titel mitspielen zu können. Zu harmlos präsentierte sich das Brehme/Stumpf-Team in diesem Spitzenspiel. Bis zum 25. Spieltag lag Kaiserslautern jedoch immer noch im CL-Bereich (bis Platz drei), dann führte eine Negativ-Serie von zwei Punkten aus fünf Spielen zum Kontaktverlust zur Tabellenspitze. Die letzten Partien gerieten schließlich zum Fernduell mit Werder Bremen um den letzten freien UEFA-Cup-Platz, bei dem die Hanseaten aufgrund der um zwei Treffer besseren Tordifferenz die Nase vorn behielten.

Neben den Problemen mit der mangelhaft abgestimmten Kompetenz-Teilung der Doppelspitze Andreas Brehme (Teamchef) und Reinhard Stumpf (Cheftrainer) hatten die Lauterer nahezu die komplette Saison über mit personenbezogenen Widrigkeiten zu kämpfen. Im Oktober verabschiedete sich zunächst ein Unzufriedener: Nach vier Saisoneinsätzen hatte Youri Djorkaeff sein Ziel erreicht und verließ den FCK (Bolton). Kurz darauf präsentierte der Klub seinen Anhängern einen neuen Hoffnungsträger: Taribo West, nigerianischer Nationalspieler und im Eilverfahren als Verstärkung für die Abwehr verpflichtet. Der Paradiesvogel (erschien Teufel-kompatibel mit Hörnchen-Zöpfen) fühlte sich aber, mehr noch als der Pfälzer Defensive, einer von ihm betreuten Glaubensgemeinde verpflichtet, die er, dem Verein eine Erkrankung vortäuschend, unerlaubterweise aufsuchte. Die Lauterer Vereinsführung fiel ob dieser Vorkommnisse ihrerseits vom Glauben ab und suspendierte Taribo West nach nur fünf Monaten. Zu (schlechter) Letzt fiel noch Hany Ramzy wegen sexueller Belästigung auf. Den zunächst verkündeten Rausschmiss des Liberos zog der Verein zurück, als das Opfer für einen nachsichtigen Umgang mit dem Ägypter plädierte.

Die Neuen und der Kader
Mit Christian Timm von Absteiger 1. FC Köln haben die Lauterer ein hoffnungsvolles Stürmertalent verpflichtet. Nach den Abgängen von Pettersson (FC Kopenhagen) und Marschall (Al Etehad, Katar) - in der vergangenen Saison ohnehin nicht erste Wahl - tat eine Blutauffrischung zur Unterstützung der Stammkräfte Lokvenc und Klose dringend Not. Timm hat allerdings verletzungsbedingt eine verkorkste Saison hinter sich. Als weitere Offensiv-Alternative wurde Selim Teber (Waldhof Mannheim) geholt. Für die Abwehr sind ein Routenier, Nzelo Lembi (belg. Nationalspieler, vom FC Brügge) und ein Bundesliganeuling, Mathias Koch (von Fortuna Köln, Vertragsamateur) neu an den „Betze“ gekommen. Nach vier Jahren Schweizer Nationalliga (FC Tirol) kehrt Markus Anfang in die Bundesliga zurück. Von ihm erhofft sich Teamchef Brehme mehr Konstanz im Mittelfeld. Als feste Größen dieses Mannschaftsteils taten sich zuletzt Mario Basler (29 Einsätze), Thomas Riedl (26 Spiele) und Cassio de Souza Soares, alias Lincoln (27 Spiele), hervor. Der Brasilianer Lincoln konnte nach verheißungsvollem Einstand bei den „Roten Teufeln“ das hohe Niveau seiner ersten Auftritte nicht halten, ist aber weiterhin gesetzt (Saisonauftakt wg. Muskelfaserriss gefährdet). Marian Hristov wird zunächst aufgrund einer Meniskusoperation fehlen, sollte danach aber ebenfalls wieder zum Stamm zählen. Schlechtere Aussichten auf einen Stammplatz eröffnen sich der einstigen „Zaubermaus“ Ratinho, Nenad Bjelica, Dimitrios Grammozis und Jose Manuel Dominguez. Der Portugiese, im November gekommen, spielte gar nur zwei Mal und derzeit deutet wenig darauf hin, dass noch viel mehr Einsätze dazu kommen.

Blasse „Rote Teufel“
„Der Betze brennt“ - es sieht so aus, als sollte diese schon penetrant inflationär benutzte Floskel auch in der neuen Saison wieder Gültigkeit haben. Irrtum (ziemlich) ausgeschlossen. Seit dem Wiederaufstieg, mit der sensationellen Meisterschaft in der Saison 1997/98, hat sich bei den Pfälzern ein „Brandherd-Virus“ eingeschlichen, das keine Ruhe im Verein einkehren lässt. Die sich häufenden Schwierigkeiten mit dem Personal (Sforzas Auseinandersetzung mit Rehhagel, Djorkaeffs Abwanderungsoffensive und Fehde mit Brehme, „Go“ West, die Trainer- und Kapitänsdiskussion) sprechen für eine Führungsschwäche der Vereinsspitze. Der finanzielle Rückstand auf die Top-Klubs (Weidenfeller nicht zu halten, Simak zu Bayer) sowie das blamable Ausscheiden im UI-Cup tun ein Übriges, den Lack des Bundesligisten 1. FC Kaiserslautern zum Abbröckeln zu bringen. „Der Betze brennt“ kann natürlich auch eine positive Bedeutung haben. „Salto-Klose“, Lokvenc, Lincoln, Basler, die Abwehr-„Köche“ Harry und Georg, Riedl, Hengen und Co. sind sportlich durchaus in der Lage, ihren Gegnern auf dem Platz einzuheizen - sofern sie eine Einheit bilden. Für einen Höhenflug, vergleichbar der vorigen Saison, scheint die Luft auf dem Betzenberg derzeit aber zu dünn, oder vielmehr zu dick.

André Schulin

Die 1. FC Kaiserslautern-Daten



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