Alexander Frei - der unverstandene Ausnahmefußballer

von Günther Jakobsen12:21 Uhr | 22.12.2012

Am 12. September 2010 blieb der argentinische Innenverteidiger der Berner Young Boys, Emiliano Dudar, nach einem Zusammenstoss mit seinem Teamkollegen François Affolter mit zuckenden Füßen auf dem Kunstrasen liegen. Jedem der 25´800 Zuschauer war sofort klar, dass es sich um etwas Ernstes handeln musste. Nur Alexander Frei machte eine Geste, die von den meisten als ungeduldige Aufforderung mit dem Simulieren aufzuhören interpretiert wurde.

Dudar lag daraufhin für vier Wochen im Spital. Alex Frei erklärte später, er wollte mit seiner Geste die Rettungssanitäter zu mehr Eile antreiben. Das Missverständnis brachte ihm ein gellendes Pfeifkonzert ein. Es war eine typische Szene. Frei ist kein Spieler, der vorbehaltlos geliebt wird. Seine Auftritte in der Nationalmannschaft wurden oft von Pfeifchören der eigenen Fans begleitet. Ein Fanverhalten, das in anderen Ländern undenkbar wäre. Dabei lag dies nicht an seiner Leistung, sondern an seinen provokativen Auftritten, bei welchen er auch gerne einmal eine Schmährunde vor dem gegnerischen Fanblock absolvierte. Frei wird als Ur-Basler wahrgenommen, nicht als Nationalstürmer. Die Pfiffe, die im April 2011 zu einem Doppelrücktritt mit dem Teamkameraden Streller führten, galten dem Basel-Skorer Frei, nicht dem Nationalmannschaftskapitän. Dabei ist er beides.

In den zehn Jahren als Nationalspieler wurde er mit 42 Toren zum erfolgreichsten Stürmer, den die Schweiz je hatte. Bei großen Turnieren war er aber auch vom Pech verfolgt. Die Euro im eigenen Land, bei welcher er von Trainer Kuhn zum Captain gemacht wurde, endete für ihn bereits im Eröffnungsspiel mit einer Knieverletzung. Das Bild des verletzlichen Alex Frei, der mit Tränen im Gesicht humpelnd und aufgestützt vom Platz geht, bleibt den Schweizer Fußballfans in Erinnerung. Auch das Eröffnungsspiel der WM in Südafrika verpasst er verletzungsbedingt. Bei der WM in Deutschland war er im schlechtesten Spiel des Turniers schon nicht mehr auf dem Platz, als die Schweiz gegen die Ukraine sämtliche Elfmeter verschoss. Am meisten zu reden gab aber die EM in Portugal, wo Frei für zwei Spiele gesperrt wurde, nachdem er den Engländer Gerrard von hinten angespuckt hatte. Das Trauerspiel, das diesem Vorfall folgte, war aber in erster Linie dem Versagen der Kommunikationsabteilung des Fußballverbandes geschuldet, weniger Frei selber. Doch auch dieses Bild blieb: Frei als arrogant wirkender und unfairer Hitzkopf.

Im Vereinsfußball der obersten Spielklasse startete Frei 1997 mit dem FC Basel, zu dem er nach 12 Jahren wieder zurückkehrte. Dazwischen spielte er beim FC Thun, dem FC Luzern und erstmals erfolgreich bei Servette Genf, mit welchem er 2001den Cupsieg holte. Sein Abstecher ins Ausland war zunächst erfolgreich. Bei Stade Rennes wurde er 2005 Torschützenkönig der Ligue 1. Nach seinem Wechsel zum BVB trug er zunächst mit 20 Toren zum Ligaerhalt bei, musste aber nach einer Hüftoperation lange pausieren und konnte nicht mehr an seine erfolgreiche Zeit anknüpfen. Zurück beim FC Basel feierte er drei Meistertitel und zwei Cupsiege. Daneben wurde er zweimal Torschützenkönig und zweimal Spieler des Jahres. Sein Entscheid, wieder in seine alte Heimat zurück zu kehren, war richtig. Hier fühlt er sich verstanden und geliebt und fand wieder zu alter Größe zurück. Besonders mit seinem Sturmpartner Marco Streller versteht er sich blind. Das Duo bildet seit Jahren die gefährlichste Offensive des Landes. Ende Saison 2012/2013 beendet Frei seine große Karriere. Mit ihm tritt eines der größten Talente der Schweiz ab, vielleicht sogar das größte. Dass sein Bild aktuell nicht frei ist von Irritationen und Schatten, wird möglicherweise schon bald vergessen sein, und Alexander Frei wird einen Platz im Schweizer Fußballolymp einnehmen, der ihm zusteht. Einen Platz ganz, ganz weit oben.

Andreas Beck, Dezember 2012



Ich war nicht damit einverstanden, dass der Schiedsrichter gegen uns einen Freistoß gegeben hat. Da habe ich ihn einfach Mixer mit W genannt. Ich glaube, dies war ziemlich dumm.

— Erik Meijer