Analyse der dritten Runde und Achtelfinalausblick - Teil 1

von Günther Jakobsen22:23 Uhr | 14.06.2002

Mit Frankreich, Argentinien und Portugal schieden drei der als heißeste Titelkandidaten geführten Teams bereits in der Vorrunde aus. Dagegen erreichten die nicht so hoch eingeschätzten Gastgeber der WM, Südkorea und Japan, als Gruppenerste das Achtelfinale. Eine der verrücktesten Vorrunden der WM-Geschichte liegt hinter uns - hoffentlich geht es so weiter.

Gruppe A
Mit zwei Toren Unterschied musste Frankreich gegen Dänemark gewinnen, um seine Chance zu nutzen. Das 0:2 gegen die Dänen – trotz Zidane – zeigte ein ausgepowertes französisches Team, das ideenlos, ohne Esprit und Kampf-bis-zum-Letzten-Attitüde die Skandinavier besiegen wollte. Zurecht wurden „Die Blauen“ aus dem Turnier gekickt, denn in dieser Verfassung hatte der Ex-Weltmeister nichts im Achtelfinale zu suchen. Dänemark spielte minimal und effektiv, kompakt und clever. Ein harter Brocken für jeden weiteren Gegner – zuerst England.

Senegal hatte nach den überzeugenden Auftritten gegen Frankreich und Dänemark die Favoritenrolle gegen Uruguay. Die 3:0-Führung zur Pause war schmeichelhaft. Doch die Urus spielten einfach zu sorglos. Was in dem südamerikanischen Team steckt, deuteten sie in Hälfte zwei an. Eine gute von insgesamt sechs Halbzeiten ist bei solch einem Turnier indes einfach zuwenig. Die Schweden dürften gegen den Senegal leicht favorisiert sein, denn die äußerst launigen Vorstellungen der Afrikaner könnten im K.O.-System ins Auge gehen.

Gruppe B
Spanien absolvierte die Schlussrunde gegen Südafrika recht souverän. Obwohl mit einer halben Reserveelf angetreten, hatte man nie das Gefühl, dass das Camacho-Team Probleme bekommen würde. Mit Irland steht im Achtelfinale der erste „echte“ Gegner auf dem Plan. Erst nach diesem Spiel kann man sagen, wo die Spanier wirklich stehen. Südafrika überraschte positiv und scheiterte nur knapp. Das Team hatte sich aber gut verkauft.

Paraguay setzte sich im zweiten Durchgang gegen die überforderten und zerstrittenen Slowenen durch, die nicht annähernd an die Quali- und EM 2000-Leistungen anknüpfen konnten. Die Südamerikaner erreichten das Achtelfinale mit einer letzten Kraftanstrengung und der individuellen Durchsetzungskraft von Cueva im letzten Spiel. Ansonsten sah man mehr Schatten als Licht im Chilavert-Team. Der charismatische Keeper selbst war bis dato ihre größte Achillesverse im Turnier. Alles andere als ein Ausscheiden gegen die Deutschen wäre eine Überraschung.

Gruppe C
Für die Brasilianer war diese Gruppe, vom holprigen Anfang gegen die Türken abgesehen, ein Spaziergang. Der letzte Gegner, Costa Rica, zeigte beim 2:5 allerdings massive Schwächen im Abwehrverhalten von Ronaldo & Co. auf. Gegen die unbequemen Belgier könnte es entsprechend ebenso ein oder zwei Gegentore geben. Da der Angriff jedoch allererste Sahne ist und sich mittlerweile auch gut eingespielt hat, werden die Brasilianer das Achtelfinale wohl überstehen. Costa Rica enttäuschte nicht, hatte in der Abwehr jedoch zuviel Defizite.

Den Türken fiel der Sieg dank eines Frühstarts gegen die harmlosen Chinesen nicht mehr schwer. Überzeugen konnten sie jedoch nicht. Gegen Japan ist zwar alles möglich – denn einen Hasan Sas haben die Gastgeber nicht – doch um das Achtelfinale zu überstehen, muss eine Leistung über dem bisherigen Niveau her. Das gute 1:2 gegen die noch „kalten“ Brasilianer war jedenfalls noch nicht ausreichend. China bezahlte Lehrgeld. In vier Jahren kann die Nation mit dem großen Potenzial schon ganz anders dastehen.

Gruppe D
Südkorea zeigte von allen Mannschaften das größte Tempo – wenns drauf ankam. Ein Team das mit den Tugenden Schnelligkeit, Teamwork, gute Technik und unbeugsamer Wille, sowie dem Publikum als „Zwölften Mann“ die arroganten Portugiesen nach Hause schickte. Ein 4:0 gegen ein nur 20 Minuten lang völlig indisponiertes Polen reichte für drei Spiele eines WM-Turnieres nicht aus. Das Getrete beim 0:1 war der negative Höhepunkt der Vorstellung. Südkorea hat gegen den Favoriten Italien alle Chancen. Ihre Auftritte waren bisher schlichtweg überzeugender, als die der Azzuri.

Die USA spielten eine sensationelle Halbzeit gegen Portugal und behaupteten sich auch gegen die Südkoreaner mit einer geschlossenen Leistung überraschend gut. Zuguterletzt wurden sie zwar von den in der Ehre gekränkten Polen mal eben überfahren, doch das Achtelfinale wurde ihnen letztlich von den Portugiesen geschenkt. Polen zeigte zwei Gesichter. Das bessere kam unter unbeschwerten Vorzeichen gegen die US-Boys zustande, also zu spät. Gegen Mexiko wird für Kontinent-Nachbar USA die Tagesform wichtig sein. Sollte die gut sein, wird es noch schwer genug.

Gruppe E
Das 8:0 gegen Saudi-Arabien ist und bleibt grandios. Beleg: Die Auftritte der Saudis gegen Kamerun und Irland, die sich entweder an deren Abwehr festbissen (Kamerun), oder mit Sonntagsschüssen und Torwartgeschenken (Irland) durchkamen. Gegen Kamerun geriet die DFB-Elf nicht einmal aus dem Konzept, als man in Unterzahl weiterspielen musste. Sie wurde nur wach und besann sich auf vorhandene Stärken. Das wird jeder weitere Gegner spüren - auch Paraguay. Kamerun enttäuschte auf der ganzen Linie. Es dauert noch etwas, bis der afrikanische Fußball ganz dran ist.

Irland überraschte positiv. Das Team lässt sich mit den Dänen und Schweden auf eine Ebene stellen. Gegen Spanien ist alles möglich, da das Team technisch aufgeholt hat, taktisch variabler geworden und in Sachen Körpereinsatz jedem Team bei der WM überlegen ist. Wenn die Iren Spanien schlagen, ist viel mehr drin.

Fortsetzung folgt



Wir müssen zusehen, dass wir uns bis Weihnachten Punkt für Punkt nach oben hangeln. Damit die Gegner sich bei der Weihnachtsgans zumindest überlegen müssen, dass jedes Gramm, das sie zu viel essen, in der Rückrunde problematisch werden könnte.

— Karl-Heinz Rummenigge