Analyse der dritten Runde und Achtelfinalausblick - Teil 2

von Günther Jakobsen22:03 Uhr | 16.06.2002

Wenn das Favoritensterben nicht bald einmal aufhört, müssen die beiden Veranstalter – zwei der Teams, die sich jedenfalls voll reinhängten – das Finale unter sich austragen. Ob das dem Fußballspiel und seinem zukünftigen Niveau zuträglich sein würde, sei dahingestellt. Satte Stars, die keinen Bock haben, sich zu bewegen (und davon gab es reichlich), sollten, wie die Holländer, die diese „Tugend“ schon vor der WM zur Genüge zeigten, nächstes Mal gleich zu Hause bleiben.

Gruppe F
Die „Todesgruppe“. Eigentlich war dieser Begriff für hohes Niveau und vier mehr oder weniger gleichstarke Teams gedacht und gedeutet. Die Realität sah anders aus. Die letzten Partien zwischen Nigeria und England sowie Schweden und Argentinien sollten gewisse Höhepunkte der WM-Vorrunde werden. Die Erste war zum Abgewöhnen. Die Zweite bestenfalls WM-Mittelmaß. Argentinien enttäuschte maßlos, weil die hochdotierten Stars ausgelaugt, ideenlos, überbezahlt und –bewertet sind. „WM“ als Motivation reicht schon lange nicht mehr für diese Geldsäcke aus. Forderungen wie „Ehre für die Heimat“ zu erringen, oder einfach nur Leistung für Milliarden Zuschauer zu erbringen, scheint den randvoll abgefüllten Kickern nur noch ein müdes Lächeln abzuringen. Die heuchlerischen Ausreden unserer südländischen Freunde passten ins miese Konzept. In vier Jahren bitte mehr Fußball.

Guten Fußball spielten die Schweden – abwehrmäßig gesehen. Die Engländer auch – abwehrmäßig gesehen. Die Nigerianer nicht. Die die falschen Altstars zu Hause gelassen und den Generationswechsel leider erst kurz vor der WM eingeleitet hatten – wie ungünstig. Achtelfinalchancen für Schweden und England: Tagesform entscheidet.

Gruppe G
Wer das verzweifelte Anrennen der Italiener gegen die Mexikaner mitverfolgen konnte und sah, dass die Mittelamerikaner den besseren italienischen Fußball spielten, war fast ein bißchen verärgert, dass Trappatoni unter dem sanften Zwang seines Umfelds doch noch Del Piero brachte, um seine Truppe zu retten. Dazu nur: Selbst Schuld, liebe Kroaten! Blöder kann man kaum ausscheiden. Ecuador war jedenfalls von den Ausgeschiedenen das glücklichste Team.

Der absolute Fight zwischen Mexiko und den USA am Montagmorgen könnte ein WM-Highlight werden. Brisant ist und bleibt das Verhältnis zwischen beiden Ländern auch danach. Fußball wird die Amis auch nach einem Sieg kalt lassen, während die Mex-Kicker schon jetzt gottähnlichen Status erlangten. Italien ging 1966 gegen Nordkorea unter. 2002 ist nach den bisherigen Leistungen Südkorea Favorit. Herrlich schräge WM.

Gruppe H
Die Leichtigkeit, mit der Japan die Tunesier im Schongang 2:0 nach Hause schickte, war schon verblüffend. Der Gruppensieg sowieso. Die Türken wurden von Harald Schmidt bis ins Endspiel getippt. Wenn sie die Japaner überstehen, ist alles möglich. Nur – keiner glaubt dran. Den Tunesiern hatte niemand etwas zugetraut. Mit diesem Bewusstsein traten sie auch auf und taten nichts dagegen.

Belgien, regelmäßiger Gast in WM-Achtelfinals, konnte sich auch diesmal behaupten. Die Russen waren aber auch zu harmlos, zu destruktiv und ohne erkennbare Ambitionen. Sie spielten wie das Gesicht ihres Trainers auf der Bank. Der erklärte sogleich seinen Rücktritt – Monate zu spät. Belgien freut sich somit auf Brasilien, da dieser Gegner für jeden Spieler ein Karriere-Highlight bedeutet. Da dürfen "Rote Teufel" dann auch ohne Gegenwehr ehrfurchtergeben ausscheiden – mit Gegenwehr sowieso. Kenner freuen sich schon auf die Schlagzeilen, wenn Belgien im Viertelfinale den Engländern die Titelträume austreibt – oder war das doch nur ein deutscher Rache-für-das-1:5-Traum ?



Der laufstärkste Zuschauer in der BayArena.

— Das Hamburger Abendblatt über die Leistung von Sergej Barbarez nach einer 1:4-Niederlage in Leverkusen