Berliner Ambitionen

von Günther Jakobsen15:35 Uhr | 22.11.2002

Seit nach dem Mauerfall im November 1989 Berlin wieder offizielle Bundeshauptstadt wurde, mehrten sich die Rufe in der Spreemetropole, dass nun auch wieder erstklassiger Fußball nach Berlin gehöre - logischerweise dargeboten von Altmeister Hertha BSC (Deutscher Meister 1930 und 1931). Es sollte allerdings noch bis zur Saison 1997/98 dauern, ehe Hertha sich wieder dauerhaft in der Bundesliga etablierte. Schnell wurden sodann Forderungen laut, der Verein müsse auch international zu den Topklubs aufschließen. Diesem Anspruch konnte man trotz erheblicher Investitionen noch nicht gerecht werden.

„Hertha ist nicht aufzuhalten“
Wirtschaftlich floriert die Hertha. Für die abgelaufene Saison 2001/02 konnte der Verein einen Umsatz-Rekord von 60 Millionen Euro vermelden. Hauptsponsor UFA (seit 1994 mit Hertha verbandelt, investierte seitdem rund 35 Millionen Mark) steht zumindest bis 2009 als potenter Partner zur Seite. Mit Ausrüster Nike soll der Vertrag ebenfalls bis 2009 verlängert werden. Trotz der derzeit schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen - die auch vom Berliner Renommierklub Einschränkungen fordern - steht Hertha also auf gesunden finanziellen Beinen. “Hertha ist nicht aufzuhalten. Wir wollen in den nächsten Jahren regelmäßig Champions League spielen“, verkündete Hertha-Manager Dieter Hoeneß denn auch im November nach dem Verkünden der wirtschaftlichen Daten optimistisch. Bisher schnupperten die Berliner erst einmal die Königsklassen-Luft.

Grenzen aufgezeigt
Die bislang einzige Champions-League-Teilnahme feierten die Berliner in der Saison 1999/2000. In der Vorrunde konnten sich die Herthaner nach Heimsiegen über den FC Chelsea (2:1) und den AC Mailand (1:0) sowie zwei Remis (in Mailand und bei Galatasaray) als Gruppenzweiter hinter Chelsea für die Zwischenrunde qualifizieren. Hier mussten die Berliner dann ihre Grenzen erkennen. Hinter dem FC Barcelona, dem FC Porto und Sparta Prag wurde das Team abgeschlagen und sieglos Gruppenletzter. Dabei hatte man gerade vor dieser Saison enorm aufgerüstet. Es kamen Ali Daei (5,3 Mio. Mark), Sebastian Deisler (4,0), Kostas Konstantinidis (2,5), Marco Rehmer (7,0) und Alex Alves (7,6 Mio., kam in der Winterpause). In der Bundesliga blieb man mit dem Erreichen des sechsten Platzes ebenfalls hinter den Erwartungen und dem Vorjahresresultat (Platz drei) zurück.

Messlatte untersprungen
In der folgenden Saison 2000/01 - einzige namhafte Verstärkung war der ablösefrei von Leverkusen gekommene Stefan Beinlich - stand die von Jürgen Röber trainierte Hertha in der Bundesliga-Abschlußtabelle auf Platz fünf - zuwenig für das in Berlin gestiegene Anspruchsdenken. Also wurde noch einmal tief in die Tasche gegriffen: Marcelinho (14 Mio. Mark), Bart Goor (12,5) und Denis Lapaczinski (4,5) hießen die teuersten Neueinkäufe der Saison 2001/02. Doch auch diese Investitionen führten zunächst nicht zu den erhofften Erfolgen. Nachdem Hertha in der dritten Runde des UEFA-Cups an Inter Mailand gescheitert war und in der Bundesliga hinter den UEFA-Cup-Rängen stagnierte, trennte man sich vorzeitig von Trainer Jürgen Röber. Dem seit 1997 bei den Berlinern tätigen Übungsleiter wurde während seines Hertha-Engagements mehr als einmal vorgeworfen - hauptsächlich vom einflussreichen, ehemaligen Aufsichtsratmitglied Robert Schwan (verstarb im Juli 2002) vorgetragen - er könne die Hertha nicht zu einem Spitzenklub formen. So scheiterte Röber an der in Berlin sehr hoch angelegten Messlatte.

Das blaue Erfolgsrezept
Sein Nachfolger Huub Stevens kennt die Erwartungshaltung in der Hauptstadt. „Ich möchte Titel gewinnen mit Hertha BSC, natürlich. In jedem Fall wollen wir uns in der neuen Saison für den Europacup qualifizieren. Priorität hat für mich die Bundesliga. Aber die Frage, ob unser aktueller Kader stark genug für die Meisterschaft ist, kann ich jetzt noch nicht beantworten“, versuchte der Holländer vor der Saison, den Ball flach zu halten und ließ offen, ob der Hertha-Schatzmeister seine Schatulle noch einmal öffnen und kräftig hineinlangen muss. „Nur die Bayern marschieren vorne weg, dahinter ist vieles möglich“, übte sich auch Hertha-Goalgetter Michael Preetz in vorsichtigem Optimismus zu den Aussichten dieser Bundesliga-Saison. Um den Erfolg zu beschwören, greift man auch auf nicht unbedingt rational zu nennende Maßnahmen zurück. So schlüpfte Trainer Huub Stevens nach verpatztem Saisonstart blitzschnell wieder in seinen aus Schalker Zeiten bewährten blauen Trainingsanzug. Eigentlich sollte er - hauptstadtkompatibel - im feinen Zwirn die Spiele seiner Schützlinge von der Bank aus verfolgen. Und siehe da - es funktionierte. Gegen Bielefeld saß Stevens erstmals in Arbeitskluft auf der Bank und Hertha feierte den ersten Saisonsieg. „So lange er nicht nackt am Spielfeldrand steht, ist mir alles egal“, meinte daraufhin Manager Dieter Hoeneß. Und solange er Erfolg hat, möchte man hinzufügen.

André Schulin



Herr Toni, hier schreie nur ich!

— Schiedsrichter Dieter Pauly (Rheydt) zu Toni Schumacher, 1. FC Köln