Dynamos verschwundene Pokale

von dpa20.04.2006 | 12:04 Uhr

Früher, also zu Zeiten der guten alten DDR, als im heutigen Ostdeutschland noch alles mit rechten Dingen zuging, gab es neben Klub-Kola und Breuler eine Fußball-Mannschaft, die alle anderen überragte und die Meisterschaft nach Belieben beherrschte: der BFC Dynamo Berlin.

Der Club wurde 1966 gegründet, fand jedoch nicht auf Anhieb in die Erfolgsspur. Erst nach und nach bekam man die Fußball-Szene in den Griff. Die Mannschaft wurde peu à peu mit den besten Kickern der DDR verfeinert. Bald war sie derart akribisch zusammengesetzt und so fein bestückt, dass zwischen 1979 und 1988 zehnmal in Folge die DDR-Oberliga-Meisterschale nach Ost-Berlin gehen sollte. Beziehungsweise der Meister-Pokal. Eine beeindruckende Serie. Ja, gut, hier und da wurde zwar hinter vorgehaltener Hand vom "Stasi-Klub" geredet, von Schiebung und Manipulation. Die Regierung sollte ihre Finger im Spiel haben usw. Das übliche Gerede eben, wenn der Neid in einem hochkommt. Aber diese Querulanten sollten stets recht bald verstummen. Zu überzeugend waren die Leistungen der Mannschaft. Und wenn schon nicht die Leistungen, dann zumindest ihre Ergebnisse. Prozentual gewann Dynamo ungefähr genauso viele Spiele, wie die SED Stimmen bei den Volkskammer-Wahlen.

Manches war vielleicht besser im Osten, vieles anders, aber ganz selten auch mal was genauso wie im Westen. Einen Wanderpokal durfte hier wie dort behalten, wer dreimal in Folge irgendetwas gewonnen hat. Und da dem BFC dies mit der Meisterschaft quasi dreimal in Folge gelang, war der Verein gegen Ende der Achtziger im Besitz dreier Pracht-Exemplare. Eine stolze Zahl, bei der selbst das bundesrepublikanische Pendant, Bayern München, neidisch geworden wäre. Hätte man davon erfahren, hier im Westen. Und sicherlich wäre die Glas-Vitrine mit den Trophäen bald vergrößert worden, wäre nicht unglücklicherweise eine kleine Betriebsstörung dazwischen gekommen. Die Geschichte hatte nämlich eine Wendung der Ereignisse vorgesehen und ließ 1989 die damalige sowjetische Besatzungszone samt ihrem Vorzeigeverein kollabieren. Bald traf es die eigentliche Großmacht ebenso, wie das ganze politische System. Augenscheinlich war es dem Schicksal langsam zu bunt mit dem Ewigen Meister BFC Dynamo Berlin geworden.

Die Mauer fiel, es gab für jeden, der herüberkam, einen Begrüßungshunderter und bald fuhr kaum noch jemand einen Trabanten. Zumindest nicht in den neuen Bundesländern. Dazu faselte der damalige Staatsratsvorsitzende der BRD noch etwas von blühenden Landschaften. Alles schien gut zu werden. Die Pokale jedoch verschwanden in den Wirren der damaligen Wendejahre genau wie der damalige DDR-Chef Erich Honecker. Anders als bei ihm wusste jedoch keiner, wo genau sie abgeblieben waren. Sie sollten verschollen bleiben. Erich und Margot wurden bald der überstürzten Flucht nach Südamerika überführt. Ratz-fatz stand Spiegel-TV in Santiago auf der Matte und wollte Sachen wissen. Doch für die Pokale interessierte sich kaum jemanden. Die Jahre gingen ins Land, Honecker lebt angeblich längst nicht mehr, aber die Pokale blieben verschwunden.

Bis das Internet kam. Besser gesagt Ebay. Denn vor kurzem ist einer der drei verlorenen Söhne virtuell ersteigert und an Dynamo zurückgegeben worden. Wer ihn ergatterte und für wie viel blieb allerdings genauso unklar, wie die Identität desjenigen, der ihn abgegeben hatte. Im Grunde weiß man nichts. Eines scheint aber ausgeschlossen: Dass der Verkäufer in Chile lebt.

Ozan Sakar