Nachbarn und Rivalen

von Günther Jakobsen14:42 Uhr | 20.11.2002

Den letzten Vergleich gewannen die Niederländer im Februar 2000 mit 2:1. Seitdem hat Deutschland den Vizeweltmeistertitel in Japan und Südkorea errungen - ein Turnier, das die Oranje-Kicker nur am Fernseher mitverfolgten. Dementsprechend motiviert werden sie alles daran setzen zu zeigen, dass sie sehr wohl fußballerisch mindestens gleichwertig sind. Ein gemütlicher Freundschaftskick wird das nicht.

Lange Tradition
Die lange Geschichte der Deutsch-Niederländischen Fußballvergleiche begann im Jahre 1910. Damals trat die Deutsche Nationalelf am 24. April in Arnheim an und unterlag mit 2:4. Auch das Rückspiel im Oktober des gleichen Jahres in Kleve ging mit 1:2 verloren. Erst im siebten Anlauf gelang der erste Erfolg, ein 1:0 im April 1924 vor 30.000 Zuschauern in Amsterdam. Schon damals beherrschten die Niederländer das Stilmittel „Abseitsfalle“, mit dem sie den Gegnern das Leben schwer macht, nahezu perfekt. 30-Mal wurden deutsche Angriffsbemühungen mit dem Abseitspfiff des Unparteiischen quittiert - nur einmal schnappte die Falle nicht zu. Dies nutzte Karl Auer (SpVgg Fürth) zum spielentscheidenden Treffer. Auch in der Folgezeit bis heute verliefen die Partien Deutschland-Niederlande immer recht eng, nie siegte ein Team mit mehr als zwei Toren Differenz. Bis auf eine Ausnahme. Im Oktober 1959 erwartete die von Sepp Herberger betreute DFB-Auswahl den westlichen Nachbarn - der holländische Sturm galt damals als die beste Angriffsreihe Europas - vor 62.000 erwartungsvollen Besuchern in Köln. Und die wurden nicht enttäuscht, die Stürmer trafen - allerdings nur die Deutschen. Mit 0:7 kassierten die Niederländer eine deftige Schlappe gegen eine kaum zu bremsende deutsche Elf, in der Uwe Seeler mit drei Torerfolgen herausragte.

Duelle bei Topturnieren
Zum Klassiker wurde die Auseinandersetzung durch die brisanten Duelle bei Welt- und Europameisterschaften, die stets mit höchstem Einsatz geführt wurden. Im WM-Finale 1974 trafen die Kontrahenten mit ihren Superstars Franz Beckenbauer und Johan Cruyff aufeinander. Nach ausgeglichener erster Halbzeit mit einer 2:1-Führung im Rücken fand sich die deutsche Elf im zweiten Durchgang fast pausenlos in der Defensive wieder und konnte den knappen Vorsprung zwar nicht unverdient, aber doch recht glücklich über die Zeit retten. Die Niederländer revanchierten sich während der EM 1988, ebenfalls in Deutschland, als sie den Gastgeber im Halbfinale mit 2:1 aus dem Rennen warfen. Insgesamt spielte man 34-Mal gegeneinander. Davon gingen 13 Partien an Deutschland, neun an die Niederlande und zwölf Begegnungen endeten remis.

Stars aus Amsterdam
Spätestens seit der Cruyff-Ära müssen die Niederländer zur Weltspitze gerechnet werden. Auch wenn die letzte WM verpasst wurde, kann dieses Missgeschick nicht einem Mangel an Klassespielern zugerechnet werden. Die Spitzenleute spielen bei den finanzkräftigsten europäischen Klubs. Roy Makaay (Deportivo La Coruna) und Ruud van Nistelrooy (ManU) stellten in den letzten Champions-League-Spielen gegen deutsche Klubs ihre Torgefährlichkeit unter Beweis. Doch auch aus dem Mittelfeld heraus geht von den Oranje-Kickern höchste Gefahr aus. Patrick Kluivert, zuletzt immer im offensiven Mittelfeld aufgestellt, ist hinter Dennis Bergkamp (Arsenal London, wegen Flugangst nur selten unterwegs, fehlt auch diesmal) der erfolgreichste Goalgetter der Niederländer (35 Treffer in 63 Spielen). Große Hoffnungen setzen die Niederländer auch in Rafael van der Vaart. Der 19-jährige Mittelfeldspieler steht bei Ajax Amsterdam unter Vertrag - und das ist fast schon eine Garantie für eine glanzvolle internationale Karriere.

Steigender Hormonspiegel
Auch der Rekordnationalspieler der Oranjes Frank de Boer spielte lange Jahre für den niederländischen Renommierklub (1984 bis 1999) und gewann etliche nationale Titel (fünfmal Meister, dreimal den Dutch Supercup) sowie 1995 die Champions League mit Ajax. Gegen Deutschland bestreitet der kompromisslose Abwehrspieler seinen 98. Länderspieleinsatz (12 Tore). Eine kritische Phase seiner Karriere hatte de Boer im Frühjahr 2001 zu überstehen, als die FIFA gegen ihn eine Ein-Jahres-Sperre wegen Dopings (Nandrolon) aussprach. Der niederländische Kapitän konnte die Vorwürfe allerdings entkräften. Die gefundenen Werte lagen zwar über dem zulässigen Grenzwert, da Nandrolon jedoch als körpereigenes Hormon ausgeschüttet wird, konnte ein Fehlverhalten de Boers nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden. Die daraufhin auf zehn Wochen reduzierte Sperre fiel in die Sommerpause, so dass de Boers Karriere keinen Bruch erlitt. Gegen Deutschland wird Hollands Kapitän, wie seine Teamkollegen auch, ohnehin kein zusätzliches Doping nötig haben. Die Rivalität zum großen Nachbarn sorgt ganz allein für einen erhöhten Hormonausschuss.

André Schulin



Es kann nicht jeder mit jedem ins Bett gehen, aber wir verstehen uns ganz gut.

— Mario Basler über den Teamgeist beim 1. FC Kaiserslautern.