Was hat ein Heimwerkermarkt mit Fußball zu tun? Welche Verbindung besteht zwischen Brauerei und Ballsport und was eint die Autohersteller mit dem Rasenduell? Natürlich. Sie haben dieselbe Zielgruppe. Und weil das nicht stimmt, werden vor der WM sogar Produkte mit Fußball in Verbindung gebracht, die der arglose Konsument nicht im Traum auch nur halbwegs für kicktauglich gehalten hätte.
(Im Fernsehen. Ein Kommentar in den Abendnachrichten. Der Kommentator blickt ernst über seine kleine Brille hinweg – er spricht den Zuschauer so direkt an, dass dieser sich im Sofa unwohl fühlen muss): Meine Damen und Herren. Dass sich die Bierproduzenten der Nation seit Jahren auf das Event Fußball-WM eingeschossen haben, merkt man ihren Spots im Fernsehen an. Da kicken Männer aller Altersklassen Kronkorken durch die Gegend, ebenso viele Männer aller Altersklassen jagen nackt in der Dusche einem Stück Seife hinterher und die jung gebliebenen Biertrinker versammeln sich angeheitert und in unerträglich gestellter Jubelpose vor dem Fernseher.
(Der Kommentator rückt seine Brille zurecht): Das ist nachzuvollziehen. Eine brutale Häufung dieser Spots fiele dem gewöhnlichen Betrachter vermutlich gar nicht auf, weil sich Fußball und Bier seit jeher in einem Zustand reklametechnischer Symbiose befinden. Auch die schon erwähnten Heimwerkermärkte sind schon allein ob ihrer Produktpalette prädestiniert für schwachsinnige Werbespots im Zuge von Fußballgroßereignissen.
(Ein zarter Hauch von Zynismus schleicht sich in die Stimme des Kommentators): Egal, ob dann die FLÜGELzange, der HammerSCHUSS, der MAUERstein oder der RASENmäher beworben wird.
(Der Kommentator räuspert sich. Für einen Sekundenbruchteil möchte er an seiner Krawatte nesteln. Sein Blick schweift kurz ab. Dann spricht er mit fester Stimme weiter): Nein, werte Zuschauer. Beeindruckend im Vorfeld dieser WM ist die Häufung als artfremd empfundener Werbung abseits der bekannten Zielgruppe männlich, zwischen ´54 und ´90, fußballgeil. Die Branche hat erkannt, dass die Komplexe Frauen und Fußball sich nicht von Natur aus ausschließen und feuert aus allen Rohren. Aus Angst, nicht alle potentiellen Kunden zu erreichen, wird geworben, dass die Schwarte kracht. Weil aber Frauen so offensichtlich als eine eigenständige, vom herkömmlichen Werbekonstrukt Fußballfan abgetrennte, Zielgruppe aufgefasst werden, häufen sich Spots, in denen Fußball eine gewichtige Rolle spielt, ins Unerträgliche.
(Laut spricht der Kommentator. Fast im Stile eines Politikers schwingt er seine Hände seine Äußerungen unterstreichend durch die Luft): Das ist erstens echte Diskriminierung und zweitens der Grund, warum sich die WM schon vor Anpfiff schlicht und ergreifend versendet haben wird. Wir werden nicht mehr hin, noch her wissen in all den (der Kommentator beginnt nicht nur laut, sondern auch schnell zu sprechen) Nuss-Nougat-Baumarkt-Bier-Hygieneartikel-Online-Bratwurst-Ticket-Aktionen und wir werden das Spiel nicht mehr verstehen. Für uns wird der Sinn einer Weltmeisterschaft darin bestehen, dass Prominente auf eine (die Stimme des Kommentators wird geradezu hysterisch, sie steigt in ihren Tonlagen in den Gläserzerspringenbereich) fünflöchrige Torwand schießen und Payback bei jedem Treffer 5.000 Euro an den DFB zahlt. Womit der dann Weltmeister würde. Ach, was reg´ ich mich auf. Bring mir einer noch ein Bier. (Der Kommentator wird von Ulrich Wickert aus dem Studio geführt. Er wird ruhiggestellt. Seine Tiraden verklingen leise im Off). Eins von denen mit der tollen Werbung, da wo der Bierhoff mitspielt. Wenn der schon so heißt...!
(Fahrstuhlmusik. Werbung. Ende).
Jan-Christoph Poppe
Hertha-Manager Dieter Hoeneß wollte Santa Cruz. Der Aufsichtsrat genehmigte aber nur Santa Claus für die Weihnachtsfeier.
— Lästermaul Max Merkel über Hertha BSC und das Interesse an Roque Santa Cruz (,,Ich, Roque")