«Tuch down» - Tuchel lässt England nach WM-Ticket träumen

Kaum hatten Harry Kane und Co. das WM-Ticket in Rekordzeit gebucht, waren auch Thomas Tuchel und die englischen Fußballfans wieder versöhnt. «Ich habe ein bisschen Kritik einstecken müssen, und ich fand das ziemlich kreativ. Es ist britischer Humor, und ich kann damit umgehen. Es hat mich zum Lachen gebracht», sagte der deutsche Coach nach dem 5:0 in Lettland in Richtung des mitgereisten Anhangs.
«Wir singen, wenn wir es wollen» und «Sind wir laut genug für dich?» hatten die rund 2.500 Fans der Three Lions in Richtung Tuchel skandiert und damit auf die Wembley-Kritik des Trainers nach dem Wales-Spiel («im Stadion herrschte Stille») reagiert. Am Ende durfte auf den Rängen und auf dem Rasen gefeiert werden. Als erstes europäisches Team ist der Weltmeister von 1966 für die Endrunde nächstes Jahr in den USA, Mexiko und Kanada qualifiziert.
«Tuch down», feierte das Boulevardblatt «Sun» mit einem Wortspiel die perfekte Qualifikationsphase. Sechs Siege in sechs Spielen, 18:0 Tore - besser geht es kaum. Die anfängliche Kritik an den teils uninspirierten Auftritten der englischen Mannschaft ist verstummt. Auch, weil Kane wie bei den Bayern Tore am Fließband produziert. Zwei waren es in Riga, damit hat der Torjäger in der noch jungen Saison schon 21 Treffer in zwölf Pflichtspielen erzielt.
Kane schwört Mannschaft auf WM ein
«Nur Erling Haaland kann dieser Version von Kane als weltbester Stürmer das Wasser reichen», schrieb die «Daily Mail» über den englischen Nationalmannschaftskapitän, der in 110 Länderspielen nun schon 76 Mal getroffen hat. «Die Zahlen sind da, aber wie ich mich auf dem Platz fühle und die Art, wie ich die Pässe und die Läufe sehe - da bin ich in einer guten Phase. Möge es noch lange so weitergehen», sagte Kane, der die Mannschaft laut Tuchel nach dem Spiel mit einer mitreißenden Rede auf das große Ziel in den USA einschwor.
Denn bei all den Toren ist die Karriere von Kane in der Nationalelf noch unvollendet. Bei der WM 2022 in Katar schied England gegen den späteren Finalisten Frankreich (1:2) im Viertelfinale aus, nachdem der Stürmerstar einen Elfmeter versemmelt hatte. Bei der EM 2024 mit dem verlorenen Finale gegen Spanien (1:2) wirkte Kane kraftlos.
2026 soll nach dann schier endlosen 60 Jahren das Titel-Trauma verjagt werden - mit deutscher Hilfe. «Wir sind auf dem Weg, etwas aufzubauen. Das ist sehr wertvoll. Da müssen wir jetzt weitermachen», forderte Tuchel, und Kane fügte hinzu: «Wir müssen uns gegenseitig antreiben und sehen, wohin es uns führt.»
Großer Konkurrenzkampf im Team
Die abschließenden Spiele gegen Serbien und Albanien sind zwar sportlich wertlos, doch der Konkurrenzkampf um die Plätze im WM-Kader ist längst entbrannt. Für Tuchel fast schon ein Luxusproblem, zumal Stars wie Jude Bellingham, Cole Palmer, Phil Foden, Trent Alexander-Arnold oder Jack Grealish gar nicht dabei waren.
«Wir haben noch einige fantastische Spieler, die nicht hier sind und es kaum erwarten können, im November wieder im Kader zu sein, und wir werden sie auch brauchen», betonte Kane. Denn bei aller Euphorie weiß auch der 32-Jährige: Seit dem verlorenen EM-Finale hat England noch nicht gegen eine Top-Mannschaft gespielt.
Gelingt in den USA der letzte Schritt?
Nach all den verlorenen Elfmeterschießen ist England in den letzten Jahren unter Tuchel-Vorgänger Gareth Southgate immer kurz vor dem letzten Schritt gescheitert: WM-Vierter 2018, EM-Finale 2021, WM-Viertelfinale 2022, EM-Finale 2024. Taktische Fehler wurden Southgate vorgeworfen. Ein Schwachpunkt, der mit Tuchel - immerhin Champions-League-Sieger mit dem FC Chelsea 2021 - behoben scheint.
An den Fans soll es in den USA nicht scheitern. «Ich bin mir sicher, dass die Unterstützung in Amerika großartig sein wird», sagte Tuchel: «Wir wollen sie stolz machen, wir wollen sie glücklich machen.» Gelingt der große Coup, werden dem Coach sicher noch ganz andere Songs gewidmet.
(dpa)