Champions League 2004/2005 - Finale - Mi., 25.05.2005
2:3
FT - 3 : 3

Ein denkwürdiges Finale

Mit ihm kam die Wende zugunsten der Reds: Dietmar Hamann

Mit ihm kam die Wende zugunsten der Reds: Dietmar Hamann

Mit ihm kam die Wende zugunsten der Reds: Dietmar Hamann

Was im Fußball möglich ist, zeigte dieses Spiel auf. Die in der ersten Halbzeit technisch und taktisch brillierenden Mailänder konnten eine 3:0-Führung nicht in einen sicheren Finalsieg umwandeln und unterlagen den aufopferungsvoll kämpfenden Reds nach einem dramatischen Spielverlauf im Elfmeterschießen.

"The beautiful game" wird das Fußballspiel von den Engländern genannt. Das Champions-League-Finale zwischen Milan und den Reds war ein Beleg für die Berechtigung dieser Titulierung. Für die Briten begann es allerdings alles andere als "beautiful". Es waren keine zwei Minuten gespielt, da nahm Milan-Denkmal Paolo Maldini zentral im Strafraum freistehend eine Freistoßflanke volley und der als Aufsetzer getroffene Ball zappelte zur 1:0-Führung des Favoriten im Liverpooler Netz. Liverpool reagierte und kam in den folgenden Minuten zweimal gefährlich vors Mailänder Tor, wobei der Kopfballversuch von Hyypiä (5.) nicht hart genug war, Dida im Milan-Kasten vor größere Probleme zu stellen. Die bekamen allerdings zusehends die Reds, da die Italiener ein Kombinationsspiel aufzogen, dem die Spieler aus Liverpool nur hinterher hecheln konnten. Kaka, Seedorf, Pirlo, Gattuso, Shevchenko und Crespo demonstrierten eine Ballsicherheit, verbunden mit Zug zum Tor, die zwangsläufig zum Erfolg führen musste. Knappe Abseitssituationen verhinderten zunächst einen Ausbau der Mailänder Führung, aber ein feines Zuspiel von Kaka auf den rechts in den Strafraum sprintenden Shevchenko führte zum verdienten 2:0. Shevchenko vermied es, aus spitzem Winkel draufzuhalten und schob stattdessen das Leder quer zum am langen Pfosten besser postierten Crespo, der nur das Bein hinzuhalten brauchte (39.). Diesem stark herausgespielten Treffer legte Milan eine Minute vor dem Pausenpfiff das noch schönere 3:0 nach. Kaka zauberte aus der eigenen Hälfte einen millimetergenauen Pass in den Lauf von Crespo, und der Argentinier lupfte den Ball mit dem Außenrist elegant über den herausgestürzten Dudek ins lange Eck.

Einen 0:3-Rückstand zur Halbzeit hatte zuvor noch kein Team in einem CL-Finale verdauen müssen - dementsprechend war auch noch keines so früh mit einem derartigen Polster ausgestattet, das mehr als eine Vorentscheidung schien. Milan jedenfalls ging nicht mehr so entschlossen in die zweiten 45 Minuten, auch wenn sie in den Anfangsminuten noch dominierend waren, während Liverpool von einem Wechsel profitierte: Dietmar Hamann kam für Abwehrspieler Finnan und sicherte den Rückraum des Mittelfeldes, den die Italiener zuvor noch problemlos durchdrungen hatten. Steven Gerrard rückte dadurch weiter nach vorn auf, was entscheidend für die Wende des Spiels werden sollte. In der 54. Minute stand der Kapitän der Reds frei im Strafraum und dirigierte aus gut zwölf Metern per Kopf eine Linksflanke von Riise unhaltbar zum 1:3-Anschlusstreffer in Milans Maschen. Liverpool setzte sofort nach und hatte Erfolg. Smicer zog aus mehr als 20 Metern unvermutet ab und Dida machte keine gute Figur, als der flache Diagonalschuss im langen Eck landete. Milan war geschockt und die Reds nutzten die Lähmung der Italiener, um ein weiteres Mal mit gradlinigen Angriffszügen zu einer Torchance zu kommen. Gerrard wurde per Steilpass aussichtsreich in den Strafraum geschickt und der ungeschickt hinterherlaufende Gattuso brachte ihn zu Fall - Elfmeter. Xabi Alonsos zu schwach getretener Strafstoß konnte von Dida zunächst abgewehrt werden, der Spanier erwischte aber den Abpraller und drosch mit links zum 3:3-Ausgleich ein (60.). Drei Minuten später hatte der über die linke Seite kommende Riise sogar die Führung für Liverpool auf dem Fuß, sein Schuss wurde jedoch vom gut stehenden Dida weggefäustet. Erst jetzt fing sich Milan und fand langsam wieder zu einer gewissen Feldüberlegenheit mit zwei, drei Halbchancen. Den sensationellen Umschwung konnten die Italiener jedoch nicht mehr korrigieren und mussten in die Verlängerung.

Das Ancelotti-Team übernahm sofort die Spielgestaltung, auch weil Liverpool sich jetzt tiefer gestaffelt präsentierte. Gerrard fiel nun mehr durch wertvolle Abwehraktionen auf, als durch Vorstöße in Richtung Milan-Tor. Diese waren vorwiegend dem eingewechselten Cissé vorbehalten, allerdings ohne zwingende Abschlüsse anzudeuten. Der Kräfteverschleiß der intensiven Partie wurde besonders bei den Engländen deutlich, bei denen mehrere Akteure wegen Krämpfen behandelt werden mussten. Milan wirkte spielerisch und konditionell stärker, hatte aber auch nicht mehr die Energie, die Entscheidung zu seinen Gunsten zu erzwingen. Mit Ausnahme der Situation in der 118. Minute, als Shevchenko mit einem Kopfball aus kurzer Distanz am blitzartig reagierenden Dudek scheiterte. Shevchenko setzte nach und schoss aus zwei Metern scharf aufs Tor - aber irgendwie brachte Dudek erneut eine Hand an den Ball und verhinderte mit diesem sensationellen Reflex das Aus. Es kam zum Elfmeterschießen. Mailands Serginho war der Erste, der zum Shootout antrat und sah sich mit einem Irrwisch konfrontiert. Dudek wieselte auf der Linie, wie ein Hampelmann die Arme über dem Kopf schleudernd, von links nach rechts und wieder zurück. Erfolg dieser Aktion: Serginho schoss hoch übers Tor. Für die Reds trat Hamann als erster Schütze an. Sein verzögerter Anlauf ließ um den Erfolg bangen, doch der Schuss war hart genug. Milans Pirlo, wie alle anderen Mailänder Schützen bekam er das Leder vor den Strafstößen von Dudek handgereicht, kam ebenfalls nicht mit den Finten des polnischen Keepers klar, der Pirlos Schuss abwehrte. Die nächsten Schützen trafen, bis Liverpools Riise an Dida scheiterte, was die Sache wieder etwas offener gestaltete. Aber immer noch lag Liverpool mit einem Treffer vorn. Kaka glich zum 5:5 aus, aber Smicer vollendete sicher zur erneuten Führung der Reds. Als letzter der fünf ersten Schützen musste nun Shevchenko unbedingt treffen, sollte Milan noch im Rennen bleiben. Doch auch der Ukrainer ließ sich von Dudek beeindrucken und produzierte quasi eine Rückgabe - die Dudek dankbar abfing, bevor er von seinen Mannschaftskameraden fast erdrückt wurde.

Ich kann nicht jeden, der nicht spielt, nuckeln und ihn schaukeln.

— Reiner Calmund über Stürmer Erik Meijer, der einen Stammplatz forderte